Mir liegt ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Hannover vor, in dem es um die Kosten einer Filesharing-Abmahnung aus dem Jahr 2010 ging (AG Hannover, Urt. v. 10.11.2015 – 441 C 1692/14), wobei der Beklagte seit 2006 Mitglied bei Freifunk Hannover ist nach seinem Vortrag einen entsprechenden Knoten betrieben hat.
Die Klägerin behauptete in dem Verfahren, dass vom Internetanschluss des Freifunkers über Filesharing ein Pornofilm angeboten worden sei. Der Beklagte selbst habe das Werk angeboten.
Der Beklagte verteidigte sich einerseits damit, dass er seit 2006 einen Freifunk-Knoten betreibt. Zudem habe sein Bruder Zugang zum Internetanschluss gehabt.
Das Amtsgericht Hannover hat die Klage – nach hiesigem Dafürhalten ohne Kenntnis des vollständigen Falls zu Recht – abgewiesen und damit dem Freifunker Recht gegeben. Es sei nicht erwiesen, dass der Beklagte das Werk öffentlich zugänglich gemacht habe. Er hafte auch nicht als Störer.
Das Urteil geht auf die Besonderheiten bei Freifunk leider nicht ein. Die Frage, ob der Beklagte sich auf die Privilegierung des § 8 TMG berufen kann und welche Prüfungs- und Überwachungspflichten zu beachten sind, hat das AG Hannover leider nicht thematisiert (anders z.B. das AG Charlottenburg), aber ähnlich wie das LG Berlin, das ebenfalls in einem Freifunk-Fall eine andere Lösung gefunden hatte.
Für die Frage der Haftung als Täter hat das AG Hannover ganz typisch für Filesharing-Fälle darauf abgestellt, dass der Bruder des Beklagten als Täter in Betracht kam und deswegen keine Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers greife (zur Frage dieser Vermutung und den aktuellen Tauschbörse-Entscheidungen des BGH s. hier). Darauf, dass ja auch alle anderen Nutzer des Knotens auf den Internetanschluss zugreifen konnten und deshalb ebenfalls als Täter in Betracht kamen, musste das AG Hannover deshalb nicht mehr eingehen.
Der Beklagte hafte – für seinen Bruder – auch nicht als Störer, da dieser volljährig und deshalb nicht zu belehren sei. Auch insoweit bleibt das Amtsgericht in den normalen Bahnen typischer Filesharing-Fälle.
Interessant ist auch die Argumentation zur Störerhaftung wegen des Freifunk-Knotens, die ja besonders spannend gewesen wäre. Diesbezüglich hat das AG Hannover formuliert:
„Eine Haftung ergibt sich auch nicht aus einer Verletzung der Sicherungspflichten bezüglich der Einrichtung des Internetanschlusses. Da die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Verletzung selbst begangen, schließt das eine Begehung durch Dritte unter widerrechtlicher Nutzung des Anschlusses des Beklagten aus. Im Übrigen lässt sich heute nicht mehr feststellen, ob ein Dritter die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Dies ist allerdings Voraussetzung für die Annahme einer Störerhaftung.“
Auch soweit leider nichts wirklich Freifunk-Spezifisches, die Argumentation könnte auch bei einem (möglicherweise nicht hinreichend) gesicherten WLAN greifen. Trotzdem ist es spannend, denn es würde die Klägerin zwingen, hilfsweise vorzutragen, dass ein Dritter über den Internetanschluss die Tat begangen hat. Mir ist der konkrete Vortrag im Verfahren nicht bekannt, so dass ich das nicht beurteilen kann. Die Ausführungen des AG Hannover deuten aber darauf hin, dass auch die Klägerin nicht auf die Spezifika des vorliegenden Falls eingegangen ist, der sich durch den Freifunk-Knoten stark von typischen Fällen unterscheidet und – wie das AG Hannover zeigt – eine besondere Argumentation seitens der Klägerin erforderlich gemacht hätte.
Ich bin gespannt, ob die Klägerin in die Berufung geht (Hinweise gerne an mich in den Kommentaren, per Mail oder Kontakt-Formular) und wie das Landgericht Hannover in diesem Fall entscheiden würde.
Jedenfalls reiht sich die Entscheidung des AG Hannover nahtlos ein. LG Berlin, AG Charlottenburg und (wohl auch) das LG München I (s. auch hier) sehen Freifunker ebenfalls nicht in der Haftung.
(Crosspost von Offene Netze und Recht)
Tags: AG Hannover, Filesharing, Störerhaftung
Mir ist unklar, inwiefern Freifunk hier überhaupt relevant sein kann. In den Freifunk-communities die ich kenne wird der Traffic verschlüsselt zu einem Gateway geleitet. Falls die Urheberrechtsverletzung über das Freifunk-WLAN passiert, ist nur dieses Gateway identifizierbar (meist betrieben von einem Verein, der womöglich noch ein VPN nutzt und/oder als Provider registriert ist) und nicht der Anschluss, an dem der Freifunk-Router hängt.
Nicht alle Freifunk-Knoten leiten ihren Traffic über ein Gateway. Auch im Fall, der derzeit vor dem EuGH ist, war kein Gateway eingerichtet.
Ich kann diesen Artikel auch nicht nachvollziehen. Was hat der Missbrauch meines DSL-Anschlusses mit der Mitgliedschaft in einem Freifunkverein zu tun? Das wäre so, als würde ich in meinem Auto nicht angeschnallt sein, aber das Auto meiner Firma baut ein Unfall? Werde ich dann auch verletzt, nur weil die Autos nebeneinander geparkt haben? Ich finde, dieser Artikel verunsichert die Leser. In Deutschland gilt die Störerhaftung und deshalb wird ja nach Schweden oder in die Niederlande getunnelt.