Der Anschlussinhaber eines großen Berliner Freifunk-Knotens wurde mit Schreiben vom 3.11.21 wegen vorgeblicher Verletzung der Urheberrechte an dem Spiels Tropico 6 abgemahnt. Die Urheberrechtsverletzung soll am 27.8.21 um 00:47 Uhr begangen worden sein.
Im August 2021 liefen rund 2 Terabyte aus dem Freifunk-Netz über den Knoten ins Internet, seit Mai 2020 über 70 TB. An dem Gateway hängt unter anderem ein Coworkingspace, ein Hackerspace und wird auch als Entwicklungsumgebung für OpenWrt und Freifunk Firmware genutzt.
Hinweis: In der Folge sehe ich mir die Abmahnung näher an und versuche den Inhalt zugänglich zu machen. Dabei benutze ich das Binnen-I, weil ich persönlich von der unbedingten Solidarität gegenüber Frauen überzeugt bin und die Verwendung des Binnen-I eine Art ist, meiner Solidarität Ausdruck zu verleihen. Dies ist ein Betrag für die Freifunk-Community, die nach meinem Verständnis und Dafürhalten sich offen und allen Menschen zugewandt verhält. Abwertungen und Beleidigungen werden in den Kommentaren nicht veröffentlicht.
Meine Beiträge dienen dem Austausch unter FreifunkerInnen, um
- Das gesellschaftliche Problem der sekundären Darlegungslast in der Anschlussinhaberhaftung verständlicher und damit zugänglicher zu machen und
- Gemeinsam in der Community nach einer Lösung für FreifunkerInnen zu suchen und einen angemessen Umgang mit Filesharing-Abmahnungen zu finden.
Die Kanzlei NIMROD teilt mit, sie sei mit der Überwachung von Tauschbörsen beauftragt, in denen die Urheberrechte der Kalypso Media Group GmbH verletzt werden. Hierbei werden sie von einem technischen Dienstleister unterstützt, der ungenannt bleibt.
Die Zuverlässigkeit der IP-Adressen-Ermittlung und deren Zuordnung zur Urheberrechtsverletzung untermauert NIMROD mit einem jüngst ergangen Urteil der uns bereits bekannten und uns erschütterten 14. Zivilkammer des Landgericht Köln. Dieses Urteil liest sich auch sehr den abmahnenden Rechteverwertern zugewandt. Darin heißt es:
Es bestehen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass es im Rahmen der in einem automatisierten Verfahren erfolgenden Beauskunftung zu Fehlfunktionen der Software gekommen sein könnte. Im Rahmen von Beweiserhebungen zur automatisierten Zuordnung von IP-Adressen vor der im Schwerpunkt mit Urheberrechtsstreitsachen befassten Kammer haben Zeugen zudem mehrfach glaubhaft bekundet, dass bei etwaigen Software-Fehlern oder -Störungen gerade kein Ergebnis ausgeworfen werde. Anhaltspunkte dafür, dass von Seiten eines Mitarbeiters des Internet-Providers durch Manipulationen in die automatisierte Zuordnung eingegriffen worden wäre, sind nicht erkennbar und von Beklagtenseite auch nicht vorgetragen.
Vor der 14. Zivilkammer des Landgericht Köln ist es damit gerichtsbekannt, dass die Protokolle der IP-Adressen-Zuordnungen durch die Deutsche Telekom AG beweissicher durchgeführt wurde/wird. Aus meinen Unterlagen geht jedoch hervor, dass die Deutsche Telekom AG Einschränkungen bzgl. der Beweissicherheit vornimmt und diese Einschränkung auch standardisiert mitteilt.
Schwierig an der vertretenen Rechtsansicht der 14. Zivilkammer finde ich zudem, dass AnschlussinhaberInnen, die zumeist Privatpersonen sind, über Sonderwissen eines eventuellen Organisationsverschulden der Deutsche Telekom AG verfügen müssen, um Anhaltspunkte eine Manipulation vortragen zu können. Dabei wird grundsätzlich und systematisch außer Acht gelassen, dass von der Gegenseite handfeste wirtschaftliche Interessen verfolgt und regelmäßig nur Kopien, deren Inhalte leicht manipulierbar sind, vorgelegt werden. Warum abmahnende Rechteverwerter einen derartigen Vertrauensvorschuss genießen, ist mir ein erschreckendes Rätsel.
Festzustellen ist aber, dass sich die Kanzlei NIMROD zu recht auf dieses Urteil beruft und damit den Druck auf den Freifunker begründet erhöht.
Im nächsten Absatz bezieht sie sich auf das berühmte BGH-Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens und stellt fest, dass den Freifunker eine sekundäre Darlegungslast trifft.
Bei der sekundären Darlegungslast handelt es sich um Richterrecht. Aus dem Gesetzestext des § 138 Abs 2 ZPO:
Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
Entwickelte die Rechtsprechung umfangreiche Nachforschungspflichten, die nunmehr derart weit reichen, dass AnschlussinhaberInnen die TäterInnen der Urheberrechtsverletzung dem Rechteverwerter zu nennen haben. Dies liest sich beim obersten Zivilgericht folgendermaßen: (BGH-Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 48/15, Everytime we touch)
Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverlet- zung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick da- rauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht schon dadurch, dass er die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behaup- tet. Er hat hinsichtlich derjenigen Personen, die selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen, im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen anzustellen und mitzuteilen, welche Kennt- nisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung ge- wonnen hat (vgl. BGH, GRUR 2016, 191 Rn. 42 – Tauschbörse III; allgemein zur sekundären Darlegungslast BGH, Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 31). Im Rahmen der den Beklagten treffenden sekundä- ren Darlegungslast bedarf es daher der Mitteilung derjenigen Umstände, aus denen darauf geschlossen werden kann, dass die fragliche Verletzungshand- lung tatsächlich von einem Dritten mit alleiniger Tatherrschaft begangen worden sein kann.
Auf diese Rechtsprechung beruft sich die Kanzlei NIMROD und wir müssen als Community einen Weg finden, wie FreifunkerInnen mit dieser unmöglich umzusetzenden Rechtsprechung umgehen.
Meldet Euch gerne und unbedingt, um gemeinsam einen gangbaren Weg für alle FreifunkerInnen zu finden. Dabei ist sicher auch der Umstand bedeutsam, dass hinter Freifunk auch eine konkrete Vorstellung von Kommunikationsfreiheit steht und im Kern eine unbedingt freiheitlich ausgerichtete Sichtweise auf menschliches Kommunikationsverhalten golden leuchtet.
Der Gesetzgeber hat zwar im großangelegte Versprechen die Unterstützung von öffentlich zugänglichen WLANs versprochen, indem er eine Haftungsbefreiung für Handlungen Dritter konstituierte und eine Überwachungspflicht von Kommunikationsinhalten ausschloss, jedoch wird dieses gesetzgeberische Versprechen an Diensteanbieter, die den Zugang zum Internet vermitteln vor Gericht nicht umgesetzt.
Sollten die GesetzeInnen weiterhin solche NachteileInnen für FreifunkerInnen haben, dann muss man wohl wie zu Anfangszeiten von FreifunkInnen zu einem VPNInnen im Ausland greifen. In Schweden ist das ganze ja kein Problem, denn dort gibt es keine StörerhaftungInnen.
Ich frage mich an der Stelle allerdings wie andere HotspotanbieterInnen mit FilesharingInnen ProblemInnen umgehen.
Danke, Sabrina. Das war kurz und bündig. Es ist schon erstaunlich wie man den heiligen Gral der freien Kommunikation für alle Menschen in die Höhe hält und anschließend das Wort in Bild und Ton für Außenstehende derartig verschlüsselt. Eigentlich dachte ich immer die Hackerspaces dieser Welt wären ein Hort rational denkender, lösungsorientierter Menschen ohne Platz für Agitation und Demagogie.
Andere FreifunkerInnen lösen das Problem, in dem Sie Teil eines Vereins sind der das Providerrecht besitzt und in Deutschland Traffic ausleitet. Wie zum Beispiel Freifunk Rheinland, F3Netze, Freie Netze München, Freifunk Kitzingen und viele weitere.
Das oben genannte Problem trifft also für einen Großteil der Deutschen FreifunkerInnen garnicht zu.
Damit wird das Problem nicht gelöst, sondern umgangen. Danke an die Freifunkas, die es immer wieder ohne VPN probieren.
Gut zu wissen. Also wenn ich als Freifunkausteller keine Haftung/Abmahnung erwarten kann, dann bleiben die drei Router natürlich im Betrieb.
Wie mein Vorredner schon schreibt, lässt sich das Problem vermeiden, indem man als Community die Infrastruktur eines solchen Freifunk-Vereins mit Providerprivileg mitnutzt oder selber einen Verein gründet und dann darüber selber ausleitet.
Das wird für viele nicht in Frage kommen, da der Aufwand dafür nicht unerheblich ist.
Aber einfach den Traffic direkt über den eigenen Anschluss auszuleiten ist in Deutschland wie hier schon mehrfach beschrieben nicht möglich, ohne ins Visier von Abmahnern zu geraten. Der halbherzigen „Abschaffung“ der Störerhaftung durch unseren Gesetzgeber sei Dank.
Die Störerhaftung wurde de facto nicht abgeschafft, der Umgang mit der Thematik dafür aber verkompliziert.
hmmmmmmm… Wie währs wenn man vor Freifunk-Server einen Anonymus-Proxy/Server einbaut.. für die, die sich mit OSI7 auskennen und so was einrichten könnten, daß alles über einen Anonymisierungsserver rennt und danach dann an die MAC-Adressen gesendet werden innerhalb des Freifunk-Netzwerks, Anonym und somit nicht mehr zurückverfolgbar, könnte man einen Rechtsanwalt-Verbund , der sowieso für Freifunk arbeitet, das das ganze dann abarbeiten lassen, einerseits anfragen, andererseits Verteidigungen und die FF-Mitglieder und Omas sowie Gäste wären soweit dann schon mal soweit geschützt … Dazumal ja Anfragen jeh nach dem seitnah oder fern abgearbeitet werden könnten …. u.s.w. und alle Anfragen hätten einen Zentralen Anlaufpunkt, der überall veröffentlicht werden könnten.. Auch einen Anwaltsserver könnte dann mit eigenem geschlossenem Server rein nur für die Anwälte der FFunker könnte dann auch aufgebaut werden um Informationen und Papiere „intern“ weitergegeben werden zu können… Auch einen selbstverstänglichen Dienst am Mitglied könnte so dann einfacher möglich sein, auch Dienst an der „Oma“ und dann im Forum über div. Fälle reden und Informationen austauschen zu können zu den Neusten oder ältesten Gesetzestexte die man auch noch hinzuziehen könnte, nutzen zu können.
(und ich wette, bei dem Omafall hätten sicherlich noch der eine oder andere Anwalt noch was gewusst.. 😉 )
viele Grüße
Blacky