Am letzten Mittwoch gab es in der 48. Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda (leider eine nicht-öffentliche Sitzung) kurzfristig eine kurze Vorstellung von Initiativen/Verbänden zum Thema „Digitale Hilfe für Flüchtlinge“. Folgende Notizen habe ich vorgetragen:
Generelles
Der Förderverein freie Netzwerke e.V. und die vielen Freifunk-Initiativen begrüßen es sehr, dass sich der Ausschuss mit dem Thema beschäftigt und bedanken uns sehr für die Einladung und die Möglichkeit sie über unsere ehrenamtliche Arbeit im Rahmen digitaler Flüchtlingshilfe zu informieren.
Der Förderverein freie Netzwerke e.V. ist seit 2003 Gründungsverein der Initiative freifunk.net und beschäftigt sich mit dem Aufbau nicht-kommerzieller, dezentraler IT-Infrastrukturen auf Grundlage des Pico-Peering-Agreement, sowie mit der Förderung lokaler Kommunikation und der Bildung und Aufklärungsarbeit zu IT-Infrastrukturen.
- FFN e.V. mittlerweile einer von vielen Vereinen im Rahmen von freifunk.net mit aktuell über 22.000 WLAN-Internet-Zugangspunkten in über 220 Orten mit vielen eigenständigen Communities in Deutschland
- Für die digitale Flüchtlingshilfe ist der Zugang zu digitalen Netzen eine grundlegende Voraussetzung
- Wir verstehen den Zugang zum Internet als Grundrecht / Daseinsvorsorge (und würden uns über die politische Unterstützung einer solchen Auffassung freuen)
- In diesem Zusammenhang haben ehrenamtliche Freifunker und Freifunkerinnen schon seit 2014 über 200 Flüchtlingseinrichtungen in Deutschland vernetzt siehe auch: http://wiki.freifunk.net/Freifunk_Hilft und http://freifunk.net/blog/2015/01/lieber-fuer-menschen-als-gegen-irgendwas/
Konkrete Probleme und Herausforderungen bei unserer Arbeit (1): Störerhaftung als Hindernis für bürgerschaftliches Engagement (auch bei der Flüchtlingshilfe)
Welche negativen Effekte sowohl die bestehende Rechtslage bei der WLAN-Störerhaftung als auch die geplante Neuregelung in sozialer und humanitärer Hinsicht mit sich bringen, wird bereits heute anhand der Schwierigkeiten deutlich, auf die Freifunkaktivisten im Rahmen der Flüchtlingshilfe in ganz Deutschland stoßen – das gilt für Flüchtlinge und Helfer/innen:
- aus Angst vor den gegenwärtigen und künftigen Rechtsunsicherheiten beim Betrieb von Drahtlosnetzen untersagen die Träger von Flüchtlingsunterkünften eine Installation von offenen Internetzugangspunkten. Auch Anwohner*innen sind häufig, auch wenn Sie gegenüber Geflüchteten Hilfsbereitschaft signalisieren, zu anfangs oft sehr skeptisch, was das Teilen ihres privaten Internetanschlußes betrifft; Hauptsächlich aufgrund der diffusen Sorge rund um die Störerhaftung.
- ohne diese Zugänge sind viele Flüchtlinge aber nicht in der Lage, sich zu informieren oder mit ihrer Heimat zu kommunizieren oder Übersetzungsdienste zu nutzen. Ein freier WLAN-Zugang ist zudem für die Helfer*innen sehr wertvoll als Übersetzungshilfe und zur Orientierung auf Kartdiensten sowie für die Koordinierung der Hilfe und dem in-Kontakt-bleiben.
- in Gesprächen hören mit Abegordneten und Abgeordneten auf allen Ebenen hören wir im Zusammenhang mit unserer Flüchtlingshilfe immer wieder das Sicherheitsargument, was aber mit der Störerhaftung nichts zu tun hat. Die Störerhaftung als Drohinstrument gegenüber der Bevölkerung zu verwenden, so dass diese Internetzugänge nicht bereitstellen, kann nicht im Interesse des Gesetzgebers sein. Das sehen aktuelle Urteile und die Europäische Union genauso. Noch mehr, die Störerhaftung hat sogar einen negativen Effekt auf die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden, sollte sie in diesem Zusammenhang denn nötig sein.
Konkrete Probleme und Herausforderungen bei unserer Arbeit (2): Problem Anerkennung Gemeinnützigkeit bei Freifunkvereinen
Wenn es um Gemeinnützigkeit eines Freifunk-Vereins geht, wird häufig auf Nr. 3 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 52 Abgabenordnung (AO) verwiesen. Der entsprechende Absatz im Anwendungserlass lautet:
Internetvereine können wegen Förderung der Volksbildung als gemeinnützig anerkannt werden, sofern ihr Zweck nicht der Förderung der (privat betriebenen) Datenkommunikation durch Zurverfügungstellung von Zugängen zu Kommunikationsnetzwerken sowie durch den Aufbau, die Förderung und den Unterhalt entsprechender Netze zur privaten und geschäftlichen Nutzung durch die Mitglieder oder andere Personen dient. (BMF-Schreiben vom 15.9.2003, BStBl I S. 446).
- => Im Moment wird vielen Freifunkvereinen die Gemmeinützigkeit untersagt (auch weil sie um die Störerhaftung auszuschließen als Provider aggieren müssen.
- => Ich möchte Sie deshalb darum bitten, dass sie dafür sorgen, dass die digitale ehrenamtliche Arbeit nicht zu rechtlichen Problemen der Träger führt
- => Es gibt zwar ein BMF-Schreiben dazu und wir kennen es und es ist sehr begrüßenswert, dass das BMF diesen Schritt gemacht hat, das Schreiben hat aber auch ungünstige Einschränkungen hat.
- => Es regelt allerdings allein die steuerliche Unschädlichkeit der Flüchtlingshilfe, nicht aber andere rechtliche Problemfelder, nämlich
- eingetragene Vereine können ihren Status als gemeinnütziger e.V. verlieren, wenn sie sich in Themen engagieren, die von ihrer Satzung nicht vorgegeben sind oder die das BMF nicht versteht. Da hilft auch kein BMF-Schreiben, da dies maximal die Finanzverwaltung bindet, aber nicht die Vereinsregister an den Amtsgerichten.
Generelle Herausforderungen und Chancen beim digitalen Ehrenamt (1): Verbesserung der Rahmen- und Förderbedingungen für Initiativen und Projekte im Bereich der Flüchtlingshilfe und der digitalen sozialen Innovationen
- Kaum Engagement der Bundesregierung für digitale Flüchtlingshilfe siehe z.B. Refugeehackathon ohne Unterstützung – siehe auch Text Reinhard Habbel (DStGB) https://medium.com/@habbel/integration-durch-digitalisierung-238f54b10aee
- Denkbar sind:
- a. bundesweite Förderinitiativen (Am Beispiel der Initiativen der Länder z.B. Sachsen-Anhalt, NRW und Thüringen; sollten sich an MABB-Förderung orientieren für Projekte des digitalen ehrenamtlichen Engagement
- b. Aufnahme von „freier Internetzugang, vorzugsweise via WLAN“ in den Anforderungskatalog für sämtliche Arten von Unterkünften für Geflüchtete (ist trotz des begrüßenswerten Zustands in Berlin, in Bayern beispielsweise nicht drin) – mindestens Internetleitung bei Planung für Flüchtlingsheimen mitgedacht werden soll
- c. Eine Anweisung das Bundesliegenschaften grundsätzlich für die Nutzung von Freifunk und anderen Initiativen raum schaffen sollen
- Ihre Hilfe als Mitglieder des Bundestags könnte auch in den folgenden Bereichen helfen:
- a. Wir begrüßen grundsätzlich das Engagement der Telekom aber beispielsweise in Magdeburg behindert dass die Aktivitäten unserer Ehrenamtler umgesetzt werden könnnen -> auf unsere Kontaktanfragen wurde bisher nicht reagiert
- b. Zum Teil gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Trägern der Flüchtlingsunterkünfte schwierig. Aus Hamburg dazu: Es gibt keine verlässlichen Aussagen zu Provider X versorgt Unterkunft Y. Z.T. fängt Freifunk Hamburg an zu planen und dann übernimmt plötzlich die Telekom. Außerdem wird Freifunk Hamburg gelegentlich wie ein Dienstleister angesprochen und nicht wie eine Gruppe von Menschen, die sich ehrenamtlich engagiert.
Generelle Herausforderungen und Chancen beim digitalen Ehrenamt (2): Gleichstellung des digitalen Bürgerschaftlichen Engagements als mit analogen ehrenamtlichen Engagement
- Die Bundesregierung sollte darauf hinwirken, dass digitales ehrenamtliches Engagement genauso anerkannt wird wie analoges
- -> das betrifft auch die Arbeit und die Kooperation von Ministerien mit der Zivilgesellschaft
- -> vielleicht über eine Ehrenamtskarte für digitale Projekte vielleicht von Bundesebene
- Plattform für digitales Engagement vom Bund (u.a. mit offenen Daten und unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft)
Zusammenfassung
Zusammenfassend möchte ich Sie deshalb bitten:
- sich für eine gänzliche Abschaffung der Störerhaftung einzusetzen,
- die nötigen Schritte zu ergreifen um digitale ehrenamtliche Arbeit und deren Gemeinnützigkeit nicht weiter zu gefährden bzw. zu ermöglichen,
- die Rahmen- und Förderbedingungen für Initiativen und Projekte im Bereich der digitalen Flüchtlingshilfe und der digitalen sozialen Innovationen mit geeigneten Maßnahmen zu verbessern
- und zu guter Letzt auf eine Gleichstellung des digitalen Bürgerschaftlichen Engagements mit analogen ehrenamtlichen Engagement hinzuwirken.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ich freue mich sehr auf Ihre Fragen.