Der gemeinnützige Förderverein freie Netzwerke e.V., Freifunk Gründungsverein und einer der Trägervereine des dezentralen Projekts freifunk.net mit aktuell über 25.500 privaten WLAN-Internet-Zugangspunkten in über 225 Orten in Deutschland, kritisiert den heute in den Bundestag (Tagesordnungspunkt 21, kürzlich auf als Rede zu Protokoll geändert) eingebrachten Gesetzesentwurf zur Neuregelung der WLAN-Störerhaftung scharf und fordert die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dazu auf, den Entwurf im parlamentarischen Prozess grundlegend zu überarbeiten sowie die weltweit einzigartige WLAN-Störerhaftung in Deutschland endlich gänzlich abzuschaffen.
In Bezug auf die heutige erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetze (TMG) im Bundestag stellt Christian Heise, Vorstandsmitglied des Fördervereins freie Netzwerke e.V. fest: „Das aktuelle Gesetz würde ganz klar zum Gegenteil vom im Koalitionsvertrag angekündigten Ausbau von offenen WLANs und der Schaffung von Rechtssicherheit für Funknetzwerke führen und Deutschland bei der Digialisierung weiter ausbremsen“.
Der Kabinettsentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes ist aufgrund der vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen beim Betrieb offener Funknetze nicht nur praktisch unbrauchbar, sondern auch mit dem Europarecht unvereinbar. Dies hat die EU-Kommission als Ergebnis eines Notifizierungsverfahrens unmissverständlich festgestellt. Dabei liegen Vorschläge für eine praktikable und zugleich europarechtskonforme Lösung seit Langem auf dem Tisch. So hatte der Digitale Gesellschaft e.V. bereits im Jahr 2012 einen konkreten Gesetzentwurf zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung vorgestellt, welcher die Unzulänglichkeiten des jetzigen Kabinettsentwurfs vermeidet.
Darüber hinaus hat „das Gesetz in seiner aktuellen Form sowohl keinen Einfluss auf die Verfolgung und Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen als auch keinen auf die IT-Sicherheit. Stattdessen einen negativen Einfluss auf die Möglichkeiten der Strafverfolgung bei einem maximal positiven Effekt auf das Geschäft von (Abmahn-)Anwälten und schafft weitere rechtliche Risiken“, so Heise. Diese Feststellung teilen die Europäische Kommission sowie die Verbraucherschützer aber auch die Bundesländer, die sich Anfang November 2015 im Bundesrat ebenfalls in einem Gegenentwurf zum Gesetz klar und eindeutig für die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung ausgesprochen haben.
Der Förderverein freie Netzwerke e.V. hat seit 2014 in unterschiedlichen, öffentlichen Stellungnahmen, Briefen und Gesprächen immer wieder versucht, positiv auf die Entwicklung des TMG-Entwurfs einzuwirken. Während sich seit dem ersten Entwurf des Gesetzes die Europäische Kommission und der Bundesrat sowie ein Großteil der 30 Stellungnahmen ans federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Gesetzentwurf unserer Argumentation vollends angeschlossen haben, wurden die Argumente von der Bundesregierung und vom SPD-geführten Ministerium bisher nicht ansatzweise berücksichtigt. Die geplante Rechtslage und der Entwurf behindern dabei nicht nur unsere Aktivitäten im Rahmen der digitalen Flüchtlingshilfe oder beim Ausbau von digitaler Infrastruktur in Kultur- und Bildungseinrichtungen, sondern behindern den Breitbandausbau sowie eine flächendeckende Verfügbarkeit von Internet in Deutschland generell. Darüber hinaus ist im Zuge des vorgeschlagenen Gesetzes mit massiven Kosten und Mehraufwänden für die Betreiber von Internetzugangspunkten zu rechnen.
„Die Bundesregierung hat sich mit dem heute zu Beratung im Bundestag eingebrachten Gesetz leider erneut zu ungunsten der Gesamtgesellschaft und der Gestaltung der Digitalisierung in Deutschland entschieden“, fasst Heise die bisherige Entwicklung um die Novellierung des TMGs ernüchtert zusammen. „Wir hoffen“, so Heise weiter, „dass der Gesetzesentwurf in der heute beginnenden parlamentarischen Debatte im Bundestag nun endlich grundlegend überarbeitet wird, damit auch in Deutschland zukünftig nicht weniger, sondern mehr Menschen barrierefrei und ohne rechtliche Risiken digital kommunizieren können“.