Mit ‘EuGH’ getaggte Artikel

EuGH-Urteil: Keine Störerhaftung mehr bei offenen WLANs (Pressemitteilung)

Donnerstag, 15. September 2016

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute mit seinem Urteil zu öffentlichen Netzwerken unterstrichen, dass man für Urheberrechtsverletzungen nicht haftet, die von Gästen im Netzwerk begangen werden.

In seiner Entscheidung verweist der Gerichtshof auf die nationalen Gesetzgeber. Sie sollen nun regeln, ob man sein Netzwerk zum Schutz vor Urheberrechtsverletzungen verschlüsseln muss. Der Förderverein freie Netzwerke (Freifunk) fordert deshalb den Deutschen Bundestag auf, sich gegen eine Verschlüsselungspflicht einzusetzen. Sie ist nicht nur untauglich, sondern steht dem Ziel klar entgegen, mehr offene Netze für alle anzubieten. Auch um eine neue Welle von automatisiert erwirkten Gerichtsbeschlüssen gegen Betreiber offener Netze schon im Vorfeld zu unterbinden, muss der Gesetzgeber jetzt tätig werden.

Richtig und erfreulich ist die klare Feststellung des Gerichts, dass wir nicht haften, wenn wir unser Netzwerk mit Freunden und Fremden teilen. Weltfremd aber ist die Annahme, dass die Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing in einem solchen Ausmaß stattfinden, dass die Rechte auf Informationsfreiheit und Kommunikationsfreiheit für alle Menschen empfindlich eingeschränkt werden müssten. Der Gerichtshof sitzt der jahrelangen destruktiven Argumentation der Content-Industrie auf, dass offene Netze in erster Linie zugunsten der Urheberverwertungsindustrie reglementiert werden müssten. Die Realität der Freifunk-Anbieter und -Nutzer aber ist in Wahrheit: Ehrenamtliche Communities vermitteln Netz, Wissen und Zugang ohne kommerzielle Hintergründe, müssen sich aber permanent mit den jahrzehntealten Forderungen der Konzerne auseinandersetzen.

Es ist eben gerade nicht so, wie die Abmahnanwälte mit viel Krawall und teuren Abmahnungen glauben lassen wollen, dass das freie Netz ein fundamentales Problem wäre, sondern es ist die Voraussetzung für eine lebenswerte digitale Welt. Und die Abmahnungen treffen ohnehin in den meisten Fällen die Falschen.

Forderungen an den Gesetzgeber: Tätig werden gegen die Rechtsunsicherheit bezüglich Verschlüsselung!

Die Abmahnkanzleien werden nun weiter versuchen, freien Netzen den Kampf anzusagen und rechtswidrig Geld von Betreibern offener WLans zu erpressen.

Der EuGH deutet zwar „nur“ an, dass es sinnvoll und hilfreich sein kann, nach festgestellten Rechtsverletzungen das jeweilige Netz mit einem Passwort zu schützen und die Identität der jeweiligen Nutzer vorher festzustellen. Aber das widerspricht fundamental den Freifunk-Prinzipien. Wir wollen keine Zwangsidentifizierung und mehr Pseudo-Schutz durch Passwörter, wir wollen stattdessen freie Netze anbieten.

Hierbei handelt es sich aber um eine Steilvorlage für all diejenigen, die das Sammeln von personenbezogenen Daten – aus welchen Gründen auch immer – für eine gute Idee halten. Der Verweis auf dieses EuGH-Urteil wird wohl bei Sicherheitsfanatikern bald zum guten Ton gehören.

Forderung nach Pflicht-Verschlüsselung ist unsinnig und gehört verhindert

Neben dieser rechtspolitischen Wirkung stellt sich aber ganz konkret die Frage der Umsetzbarkeit des Urteils, wenn der Gesetzgeber nicht tätig wird. Wie verifiziert denn der Anschlussinhaber die Identität der Nutzer? Bekommen wir es mit einem neuen Geschäftsmodell von „unabhängigen Dritten“ zu tun, die sich zwischen Netzanbieter und Netznutzer setzen, die Identitäten verifizieren und das Ein- und Ausloggen protokollieren sollen? Und was wird noch alles geloggt, wenn mehrere Nutzer zur selben Zeit im Netz sind?

„Das Ergebnis ist leider nur ein Teilerfolg. Es bleibt weiterhin überfällig, die W-Lan-Störerhaftung in Deutschland endlich gänzlich und ohne Einschränkungen abzuschaffen“, kommentiert Christian Heise, Vorstandsmitglied des Förderverein Freie Netzwerke e. V. die Entscheidung.

Hier droht mehr Schaden als Nutzen, wenn man mal von Partikularinteressen einer kleinen Branche absieht und den Blick auf die Zukunft einer digitalisierten Welt richtet. Deswegen fordern wir den Gesetzgeber auf, einer Pflicht-Verschlüsselung eine deutliche Absage zu erteilen.

Links:
[1] http://curia.europa.eu/juris…

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Pressekontakt:
Christian Heise

Christian Heise ist Dozent im Studiengang Digitale Medien an der Leuphana-Universität, Manager beim Google DNI Innovation Fund und promoviert zum Thema Open Science am Centre for Digital Cultures (CDC). Als ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. und beim Förderverein Freie Netze e. V. setzt er sich für die Öffnung von Wissen und IT-Infrastrukturen ein.

Kontakt für Rückfragen: Telefon +49 (0)30 53014673
E-Mail: mail@foerderverein.freie-netzwerke.de

Auch am Europäische Gerichtshof ist man gegen die WLAN-Störerhaftung

Mittwoch, 16. März 2016

In der heutigen Sitzung des Europäischen Gerichtshofs hat sich der Generalanwalt klar gegen die WLAN-Störerhaftung und gegen den Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telemediengesetzes ausgesprochen und die Abschaffung der Störerhaftung für WLANs ohne alle Hürden wie Vorschaltseite oder Passwort gefordert. Die Bundesregierung muss jetzt endlich handeln und wie von uns und anderen gefordert die WLAN-Störerhaftung ausnahmslos und ohne Hürden abschaffen.

Der Digitale Gesellschaft e.V. fasst das vorläufige Ergebnis wie folgt zusammen:

„Mit seinem Schlussantrag hat der Generalanwalt heute eine wichtige Weichenstellung für mehr offene Funknetze in Deutschland und Europa vorgenommen. Die Große Koalition hat bei dieser Gestaltungsaufgabe bislang leider kläglich versagt. Wir hoffen daher, dass der Europäische Gerichtshof nun für Rechtssicherheit beim Betrieb offener WLANs sorgen wird. Die Hürden für eine flächendeckende Bereitstellung drahtloser Netzzugänge müssen endlich fallen.“, erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Heute hat der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Maciej Szpunar, sein lang erwartetes Schlussplädoyer in dem Verfahren des bayrischen Veranstaltungstechnikers und Freifunkers Tobias McFadden verkündet. Ein Nutzer hatte über ein von McFadden betriebenes offenes Funknetz eine urheberrechtlich geschützte Musikdatei per Filesharing getauscht. Daraufhin war McFadden von dem Rechteinhaber, einem Musikunternehmen, als sogenannter Störer kostenpflichtig abgemahnt worden. Das Landgericht München I, vor dem sich McFadden gegen die Abmahnung zur Wehr gesetzt hatte, legte die Sache schließlich dem EuGH vor. Das Münchener Gericht will erfahren, ob das deutsche Rechtsinstitut der sogenannten „WLAN-Störerhaftung“, das zurzeit maßgeblich auf Vorgaben des Bundesgerichtshofs beruht, mit dem Europarecht vereinbar ist. Der Generalanwalt hat die Aufgabe eines Gerichtsgutachters, der in seinem Schlussantrag den Verfahrensverlauf zusammenfasst und einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet. Der EuGH ist an diesen Vorschlag zwar nicht formal gebunden, folgt ihm aber in den meisten Fällen.

Das Votum des Generalanwalts macht zunächst deutlich, dass die E-Commerce-Richtlinie auch private, nicht gewerbliche Betreiber von drahtlosen Internetzugängen von der Haftung für Rechtsverletzungen durch Nutzerinnen und Nutzer freistellt. Für solche Betreiber ist es nach Ansicht von Szpunar zudem nicht zumutbar, ihren Zugang mit einem Passwort zu sichern, zu verschlüsseln oder den Datenverkehr zu überwachen. Damit gerät nun auch die Große Koalition unter Druck, deren bisheriger Gesetzentwurf zur Reform der WLAN-Störerhaftung klar im Widerspruch zum Schlussantrag des Generalanwalts steht.

Die Piratenpartei Deutschland und der Kläger Tobias McFadden (Mitglied der Piraten) fassen das vorläufige Ergebnis in einer Pressemitteilung wie folgt zusammen:

In dem Rechtsstreit um die Zulässigkeit offener und unverschlüsselter WLAN-Hotspots hat der klagende PIRAT Tobias McFadden einen wichtigen Zwischenerfolg errungen: Das vom Bundesgerichtshof (BGH) angeordnete Verbot offener und unverschlüsselter WLAN-Hotspots, das die Bundesregierung gesetzlich festschreiben will, ist nach Auffassung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof unzulässig.

Zwar könne ein WLAN-Anbieter durch eine gerichtliche Anordnung verpflichtet werden, eine konkrete Rechtsverletzung zu verhindern, doch könne weder die Stilllegung des Internetanschlusses noch seine Sicherung durch ein Passwort oder die allgemeine Überwachung der Kommunikation verlangt werden. Auch eine Identifizierungspflicht für WLAN-Nutzer und eine anlasslose Vorratsspeicherung von IP-Adressen sei unverhältnismäßig und ineffektiv.

Tobias McFadden zur Auffassung des Generalanwalts: »Das ist ein Sieg für uns PIRATEN auf voller Linie. Folgt der Gerichtshof dem Generalanwalt, sind die WLAN-Störerhaftung und der Gesetzentwurf der Bundesregierung tot. Die Bundesregierung muss jetzt ihren fortschrittsfeindlichen Gesetzentwurf zurückziehen und wie in anderen zivilisierten Ländern das freie Angebot offener WLAN-Hotspots sicherstellen!«

Der Datenschutzexperte der Piratenpartei Patrick Breyer kommentiert: »Die von der Content-Mafia geprägte Rechtsprechung der deutschen Gerichte ist von vorn bis hinten europarechtswidrig, darunter Präventivpflichten ohne behördliche oder gerichtliche Anordnung, Unterlassungsverurteilungen ohne Nennung verhältnismäßiger Umsetzungsmöglichkeiten, Verurteilungen zur Kostentragung, zur WLAN-Verschlüsselung oder gar zur Identifizierung oder Vorratsdatenspeicherung der Nutzer. All dem muss die Bundesregierung
jetzt ein Ende setzen – im Sinne des freien digitalen Informations- und Meinungsaustauschs im 21. Jahrhundert.«