Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute mit seinem Urteil zu öffentlichen Netzwerken unterstrichen, dass man für Urheberrechtsverletzungen nicht haftet, die von Gästen im Netzwerk begangen werden.
In seiner Entscheidung verweist der Gerichtshof auf die nationalen Gesetzgeber. Sie sollen nun regeln, ob man sein Netzwerk zum Schutz vor Urheberrechtsverletzungen verschlüsseln muss. Der Förderverein freie Netzwerke (Freifunk) fordert deshalb den Deutschen Bundestag auf, sich gegen eine Verschlüsselungspflicht einzusetzen. Sie ist nicht nur untauglich, sondern steht dem Ziel klar entgegen, mehr offene Netze für alle anzubieten. Auch um eine neue Welle von automatisiert erwirkten Gerichtsbeschlüssen gegen Betreiber offener Netze schon im Vorfeld zu unterbinden, muss der Gesetzgeber jetzt tätig werden.
Richtig und erfreulich ist die klare Feststellung des Gerichts, dass wir nicht haften, wenn wir unser Netzwerk mit Freunden und Fremden teilen. Weltfremd aber ist die Annahme, dass die Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing in einem solchen Ausmaß stattfinden, dass die Rechte auf Informationsfreiheit und Kommunikationsfreiheit für alle Menschen empfindlich eingeschränkt werden müssten. Der Gerichtshof sitzt der jahrelangen destruktiven Argumentation der Content-Industrie auf, dass offene Netze in erster Linie zugunsten der Urheberverwertungsindustrie reglementiert werden müssten. Die Realität der Freifunk-Anbieter und -Nutzer aber ist in Wahrheit: Ehrenamtliche Communities vermitteln Netz, Wissen und Zugang ohne kommerzielle Hintergründe, müssen sich aber permanent mit den jahrzehntealten Forderungen der Konzerne auseinandersetzen.
Es ist eben gerade nicht so, wie die Abmahnanwälte mit viel Krawall und teuren Abmahnungen glauben lassen wollen, dass das freie Netz ein fundamentales Problem wäre, sondern es ist die Voraussetzung für eine lebenswerte digitale Welt. Und die Abmahnungen treffen ohnehin in den meisten Fällen die Falschen.
Forderungen an den Gesetzgeber: Tätig werden gegen die Rechtsunsicherheit bezüglich Verschlüsselung!
Die Abmahnkanzleien werden nun weiter versuchen, freien Netzen den Kampf anzusagen und rechtswidrig Geld von Betreibern offener WLans zu erpressen.
Der EuGH deutet zwar „nur“ an, dass es sinnvoll und hilfreich sein kann, nach festgestellten Rechtsverletzungen das jeweilige Netz mit einem Passwort zu schützen und die Identität der jeweiligen Nutzer vorher festzustellen. Aber das widerspricht fundamental den Freifunk-Prinzipien. Wir wollen keine Zwangsidentifizierung und mehr Pseudo-Schutz durch Passwörter, wir wollen stattdessen freie Netze anbieten.
Hierbei handelt es sich aber um eine Steilvorlage für all diejenigen, die das Sammeln von personenbezogenen Daten – aus welchen Gründen auch immer – für eine gute Idee halten. Der Verweis auf dieses EuGH-Urteil wird wohl bei Sicherheitsfanatikern bald zum guten Ton gehören.
Forderung nach Pflicht-Verschlüsselung ist unsinnig und gehört verhindert
Neben dieser rechtspolitischen Wirkung stellt sich aber ganz konkret die Frage der Umsetzbarkeit des Urteils, wenn der Gesetzgeber nicht tätig wird. Wie verifiziert denn der Anschlussinhaber die Identität der Nutzer? Bekommen wir es mit einem neuen Geschäftsmodell von „unabhängigen Dritten“ zu tun, die sich zwischen Netzanbieter und Netznutzer setzen, die Identitäten verifizieren und das Ein- und Ausloggen protokollieren sollen? Und was wird noch alles geloggt, wenn mehrere Nutzer zur selben Zeit im Netz sind?
„Das Ergebnis ist leider nur ein Teilerfolg. Es bleibt weiterhin überfällig, die W-Lan-Störerhaftung in Deutschland endlich gänzlich und ohne Einschränkungen abzuschaffen“, kommentiert Christian Heise, Vorstandsmitglied des Förderverein Freie Netzwerke e. V. die Entscheidung.
Hier droht mehr Schaden als Nutzen, wenn man mal von Partikularinteressen einer kleinen Branche absieht und den Blick auf die Zukunft einer digitalisierten Welt richtet. Deswegen fordern wir den Gesetzgeber auf, einer Pflicht-Verschlüsselung eine deutliche Absage zu erteilen.
Links:
[1] http://curia.europa.eu/juris…
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Pressekontakt:
Christian Heise
Christian Heise ist Dozent im Studiengang Digitale Medien an der Leuphana-Universität, Manager beim Google DNI Innovation Fund und promoviert zum Thema Open Science am Centre for Digital Cultures (CDC). Als ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. und beim Förderverein Freie Netze e. V. setzt er sich für die Öffnung von Wissen und IT-Infrastrukturen ein.
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