Mit ‘Störerhaftung’ getaggte Artikel

Der haftungsprivilegierte Freifunker

Samstag, 04. Januar 2020

Nein, der Internetanschluss ist keine Gefahrenquelle!

Gute zwei Jahre war die Verfassungsbeschwerde des Freifunkers V. beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Leider bleiben nun wichtige grundrechtliche Fragen zu offenen WLAN-Hotspots unbeantwortet, denn es wurde zwar ein internes Gutachten zu diesem Fall vom Bundesverfassungsgericht erstellt, jedoch die Nichtannahme-Entscheidung ohne Begründung mitgeteilt. Den grundrechtlich noch immer offenen Fragen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Von PTG Nevada, LLC, 9601 Wilshire Blvd., Suite 700, Beverly Hills, CA, 90210, Vereinigte Staaten wurde Freifunker V. am 06.11.2015 mittels einer Abmahnung die Verletzung ihres Urheberrechts durch Filesharing vorgeworfen. Schriftlich teilte er der PTG Nevada mit, dass er die vorgeworfene Rechtsverletzung nicht beging. Er betreibt einen Freifunk-Knoten, welchen er seinen Mitbewohnerinnen, seinen Besuchern und Gästen über WLAN zur Verfügung stellt. Zum Zeitpunkt der Abmahnung waren sowohl seine Mitbewohnerinnen wie auch Besucher anwesend. Nachforschungen ergaben keinen Hinweis darauf, wer die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnte. Insbesondere war das gegenständliche Werk niemanden bekannt.

Mit Urteil des Amtsgericht Charlottenburg vom 15.12.2016, Az.: 210 C 308/16 wurde die Haftung des Freifunkers begründet:

Nach den Grundsätzen der Rechtssprechung des EuGH ist die Verhinderung von Verletzungshandlungen dem Kläger auch bei Beachtung des § 8 TMG, welchem Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie 200/31 zu Grunde liegt, auszulegen ist, zuzumuten.

Danach sei der Beschwerdeführer Störer und hafte der PTG Nevada auf Unterlassen – mit der Folge, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben zu müssen und deshalb aktiv die nächsten 30 Jahre zu verhindern, dass der streitgegenständliche Film über seinen Internetanschluss zum Download angeboten wird. Da Privatpersonen weder die personellen noch die wirtschaftlichen Möglichkeiten dazu besitzen, bedeutet eine solche Zeichnung der Unterlassungserklärung, dass der Anschluss dauerhaft für 30 Jahre geschlossen werden muss. Alle Mitbewohner, Besucher und Gäste müssten zukünftig ihren eigenen Anschluss ins Internet mitbringen. Für die Wohnung des Beschwerdeführers müssten drei Verträge mit Providern geschlossen werden, damit jeder frei von Überwachung durch einen Mitbewohner einen eigenen Internetanschluss nutzen kann.

Am 5.9.2017 wurde seine Berufung mit Beschluss nach § 522 ZPO, Az.: 15 S 5/17 zurückgewiesen. Begründung findet der Beschluss mit dem Verweis auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (GRUR 2017, 811 – WLAN Hotspot – Rn. 15 f). Danach handle der Freifunker sorgfaltswidrig, wenn er ohne Sicherungsmaßnahmen gegen drohende Urheberrechtsverletzung durch Filesharing die Identität der Nutzer vor Zugangseröffnung zu seinem Netzwerk nicht festgestellt hat.

Diese Rechtssprechung geht von folgenden falschen Annahmen aus:

  • Der Internetzugang stelle eine Gefahrenquelle dar. Es ist das erste mal überhaupt, dass ein Kommunikationsmedium als Gefahrenquelle angesehen wird. Hier wird nicht auf die Werkzeuge abgestellt, die im Internet benutzt werden, sondern auf eine grundsätzliche Gefährlichkeit. Bei der alltäglichen Nutzung des Internets durch 80 % der Bürger liegen Rechtsverletzungen jedoch im Promillebereich.
  • Der Anschlussinhaber sei Täter. Er muss sich aus eigener Kraft entlasten. Voraussetzung für eine solche Annahme wäre aber, dass mindestens 50 % der Anschlussinhaber ihren Anschluss alleine nutzen. In Deutschland lebt und arbeitet die absolute Mehrheit mit anderen Personen zusammen und sie teilt sich den Internetanschluss mit anderen Personen. Die tatsächliche Vermutung hat also mit den tatsächlichen Umständen nichts zu tun. Nur in absoluten Ausnahmefällen benutzt der Anschlussinhaber seinen Zugang alleine.

Diese rechtlichen Krücken wurden von der Rechtsprechung entwickelt, um eine sogenannte Rechtslücke zu füllen. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber eine Regelung für die vorliegenden Sachverhalte nicht getroffen habe. Es gab also keine Vorgaben durch den Gesetzgeber, die durch die Rechtsprechung (wie bei Gesetzeslücken) gefüllt werden konnten. Begründet wird die Füllung der Rechtslücke damit, dass sonst die Verwertungsindustrie niemanden haftbar machen könne, wenn der Täter nicht ausfindig gemacht werden kann. Es müssen nach dieser Rechtsprechung also unbeteiligte Dritte in die Haftung mit einbezogen werden. Dies stellt einen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG dar.

Eine dritte unbeteiligte Privatperson muss eigenständig Maßnahmen ergreifen, um Rechte einer milliardenschweren Content-Industrie zu sichern. Hier wird in die allgemeine Handlungsfreiheit Art. 2 Abs. 1 GG von hunderttausenden Anschlussinhabern eingegriffen. Ob und in welchem Umfang es Filesharing gibt, hat jedoch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen keinen Einfluss auf das Vergütungsmodell für Urheber.

Die Rechte der Nutzer des Anschlusses auf Kommunikations- und Informationsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 S. 2 GG werden nicht mit dem geistigen Eigentum abgewogen. Sie fließen nicht in die richterlichen Entscheidungen ein.

Das Setzen eines Passwortes führt nicht zum Rückgang von Filesharing, da die tausenden Abmahnungen, die täglich von der Abmahnindustrie an Privatpersonen versendet werden, zu über 90 % an Anschlussinhaber mit vorgeschaltetem Passwortschutz ergehen.

Bei mehr als einem Nutzer müssen, um die Rechtsverfolgung zu ermöglichen, Verkehrsdaten von dem privaten Anschlussinhaber mitgeloggt werden. Das stellt einen gefährlichen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, Art. 10 GG dar. Privatpersonen müssten sich demnach gegenseitig ausspionieren können. Niemand, schon gar nicht Eltern, Mitbewohner, Vermieter an Untermieter, Arbeitgeber und viele mehr dürfen auf Grund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und der Konkretisierung in § 4 Abs. 1 BDSG diese Daten erheben, noch speichern oder gar an Dritte übermitteln. Dieses Verbot durch Füllen einer Rechtslücke zu umgehen und keine Abwägung der Rechte miteinander durchzuführen, stellt einen eklatanten und gefährlichen Eingriff in die freiheitliche Rechtsordnung dar.

Die angegriffenen Entscheidungen enthalten weder die Nennung noch eine Abwägung mit den grundrechtlich geschützten Rechten des Beschwerdeführers.

Der EuGH hat in seinem Urteil McFadden vom 15.09.2016 – C-484/14 eine Leitlinie zur Grundrechtsabwägung aufgestellt:

Wenn sich mehrere unionsrechtlich geschützte Grundrechte widerstreiten, obliegt es den innerstaatlichen Gerichten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Rechten sicherzustellen (insoweit wird verweist der EuGH auf das Urteil vom 29.01.2008, Promusicae, C-275/06, EU:C:2008:54 Rn 68 und 70).

Die Informationsfreiheit wäre bei der Pflicht zur Setzung eines Passwortes nur verletzt, wenn dieser Internetanschluss nur ein Mittel unter anderen für den Zugang zum Internet bildet. Mit anderen Worten: Es muss im Einzelfall gewährleistet sein, dass die Nutzer auch andere Zugangsmöglichkeiten zum Internet haben. Dies muss im Einzelfall geprüft werden.

Besteht die Möglichkeit nicht, auf andere Weise rechtmäßigen Zugang zu
Informationen aus dem Internet zu erlangen, wäre der Eingriff des Anbieters in die Informationsfreiheit dieser Nutzer – gemessen am verfolgten Ziel – nicht gerechtfertigt (auch hier verweist der EuGH auf sein Urteil vom 27.03.2014, UPC Telekabel Wien, C-314/12, EU:C:2014:192, Rn 56).

Der Passwortschutz muss auch wirkungsvoll sein, d. h. er muss bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des genannten Grundrechts zugänglich gemachten Schutzgegenstandes zuzugreifen (vgl. Urteil UPC Tolerabel Wien). Genau hier scheitert der Passwortschutz an der Wirklichkeit, denn jede Familie, Wohngemeinschaft, jedes Büro, Unternehmen des öffentlichen Verkehrs, Hotels und viele mehr halten entweder ihr Passwort in den Räumlichkeiten für jeden sichtbar bereit oder haben gar keinen Passwortschutz. Tatsächlich handelt es sich bei der Idee des Passwortschutzes um ein Placebo, das den gewünschten Erfolg nicht erreicht, Urheberrechte zu schützen.

Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne muss auch der Frage nachgegangen werden, wie stark die Beschränkung durch einen Passwortschutz und der dazugehörigen Datensammlung der Nutzer tatsächlich im Einzelfall ist. Kann hier im Bereich der Kommunikations- und Informationsfreiheit wirklich von einer reinen technischen Modalität ausgegangen werden, oder stellt dies bereits einen Eingriff in die Freiheiten dar – mit der Folge, dass das Kommunikationsverhalten sich den Eingriffen anpaßt und verändert?

Es muss folglich in einer Einzelfallprüfung der Frage nachgegangen werden, wie stark ein Passwortschutz und die Pflicht, Verkehrsdaten der Nutzer zu speichern, in das Kommunikationsverhalten eingreifen. Wie stark behindert eine solche Pflicht die Informationsfreiheit der Nutzer; verlieren Nutzer ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung an Personen, die eine Vertragsbeziehung mit einem Provider haben? Wenn zum Zwecke der Rechtsverfolgung die Kommunikationsdaten gespeichert werden müssen, welche Anforderungen sind daran zu stellen? Werden diese auf Webservern gespeichert, kann schließlich jedermann auf diese Daten zugreifen.

Grundrechte haben neben ihrer primären Funktion als Abwehrrechte verschiedene Zielrichtungen, die anhand ihrer subjektiv-rechtlichen Grundrechtswirkung und der objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension ausdifferenziert werden. Die objektiv-rechtliche Funktion der Grundrechte gibt dem Staat u. a. auf, die Funktionalität von Grundrechten zu gewährleisten. Dies gilt vor allem auch dann, wenn Grundrechtsberechtigte auf spezifische Voraussetzungen für die Ausübung grundrechtlicher Freiheit angewiesen sind. Die Nutzung der elektronisch vernetzten Kommunikation des Internets gehört mittlerweile zur kommunikativen Grundversorgung der Bevölkerung (BGH, NJW 2013, 1072 ff.), die der Staat im Rahmen seiner verfassungsrechtlich determinierten Gewährleistungsverantwortung (Art. 87 f GG), aber auch in Umsetzung der objektiv-rechtlichen Gehalte der Grundrechte (Art. 5 GG) sowie des Sozialstaatsgebots (Art. 20 Abs. 1 GG) sicherzustellen hat. Dienste und Infrastruktur, die für die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheit im Internet von zentraler Bedeutung sind, bilden die konstitutive Voraussetzung, um grundrechtliche Freiheit zu verwirklichen. Die Ermöglichung des Grundrechtsgebrauchs geht daher mit einer erhöhten Grundrechtspflichtigkeit des Staates einher.

Die Verschiebung privater Informationsmacht im Internet und die dadurch entstandenen Grundrechtsgefährdungslagen lassen sich angesichts des Gebots einer effektiven Sicherung grundrechtlicher Freiheitssphären dennoch grundrechtlich hinreichend abbilden. So wirken die Grundrechte im Verhältnis zwischen Privaten nicht als stumpfes Schwert, sondern können auch hier eine mäßigende, regulierende Wirkung entfalten. Zuvörderst gilt im Privatverkehr aber die individuelle Selbstbestimmung des Einzelnen, die sich auch in der Freiheit sich zu offenbaren und die eigenen Daten der Kommerzialisierung preiszugeben, niederschlagen kann. Der autonome vertragliche Interessenausgleich ist hinzunehmen und bedarf daher dem Grunde nach keiner staatlichen Korrektur. Ein sich paternalistisch aufdrängender Schutz liefe dieser grundrechtlich abgesicherten Möglichkeit der Freiheitsausübung zuwider. Die Ausstrahlungswirkung und damit die grundrechtliche Determinationskraft intensiviert sich aber in Fällen, in denen der Schutz personaler Freiheit von wirtschaftlicher und sozialer Macht erheblich bedrängt wird oder in denen sich eine krass ungleiche Handlungsmacht abzeichnet, welche die Autonomie des Einzelnen unangemessen begrenzt bzw. Fremdbestimmung Selbstbestimmung ablöst.

Die damit einhergehende mittelbare Drittwirkung kann dazu führen, dass Private trotz ihrer Grundrechtsberechtigung ähnlich oder auch genauso weit wie der Staat durch die Grundrechte in Pflicht genommen werden, sofern in tatsächlicher Hinsicht eine vergleichbare Pflichten- oder Garantenstellung besteht. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem obiter dictum in der Fraport-Entscheidung zum Ausdruck gebracht, dass je nach Gewährleistungsinhalt und Fallgestaltung die mittelbare Grundrechtsbindung Privater einer Grundrechtsbindung des Staates vielmehr nahe oder auch gleichkommen kann. Die zivilrechtliche Gleichordnung der Privatrechtssubjekte wird damit zwar kraft grundrechtlicher Einwirkung durchbrochen, dies findet aber seine Rechtfertigung gerade im Hinblick auf den Schutz hochwertiger Grundrechtsgüter, die in Fallgestaltungen evident ungleicher Verhandlungs- bzw. Machtpositionen nicht verwirklicht werden können. Als eine solche Konstellation kommt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Bereitstellung der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation durch private Unternehmen in Betracht, die früher vom Staat erbracht wurde. Dieser Ansatz weist entsprechende Parallelen zur Rechtsprechung des EuGH zur Drittwirkung von Grundfreiheiten auf. Auch hier kann eine Erweiterung des Kreises der Normadressaten bzw. eine verstärkte Verpflichtung aus der wirtschaftlichen und regulierenden Übermacht des Privaten erwachsen, sofern eine Qualifizierung als intermediäre Gewalt möglich erscheint. Die Nutzung der elektronisch vernetzten Kommunikation des Internets gehört mittlerweile zur kommunikativen Grundversorgung der Bevölkerung, die der Staat im Rahmen seiner verfassungsrechtlich determinierten Gewährleistungsverantwortung (Art. 87f GG), aber auch in Umsetzung der objektiv-rechtlichen Gehalte der Grundrechte (Art. 5 GG) sowie des Sozialstaatsgebots (Art. 20 Abs. 1 GG) sicherzustellen hat. Dienste und Infrastruktur, die für die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheit im Internet von zentraler Bedeutung sind, bilden die konstitutive Voraussetzung, um grundrechtliche Freiheit zu verwirklichen. Die Ermöglichung des Grundrechtsgebrauchs geht daher mit einer erhöhten Grundrechtspflichtigkeit einher, die zu einer Verstärkung der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte führen kann. Dies gilt namentlich für marktmächtige Unternehmen im Internet, denen aufgrund ihrer faktischen Regelungsmacht ein erhebliches Einwirkungspotenzial auf die Rahmenbedingungen der öffentlichen Kommunikation im Internet zukommt. Sofern die faktische Regelungsmacht unter Umgehung der Selbstbestimmung des Betroffenen genutzt wird, dessen Daten zu verarbeiten, dürfte als ausgleichendes Korrektiv der Gewährleistungsinhalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eine verstärkte mittelbare Grundrechtsbindung implizieren. Das regulative Einwirkungspotenzial der grundrechtlichen Steuerungsvorgabe wird daher aller Voraussicht nach erheblich an Bedeutung gewinnen.

Nach alledem kann die vorgenommene Abwägung der Interessen aller Beteiligten nur dazu führen, dass die Rechte von Millionen Bürger auf einen freien und unkontrollierten Internetzugang gewährleistet bleibt, den sie für ihre private und berufliche Kommunikation benötigen. Es muss ausgeschlossen sein, dass Bürger sich gegenseitig überwachen müssen, um eventuellen zivilrechtlichen Ansprüchen der Rechteinhaber zu entgehen.

KG Berlin zur Störerhaftung bei Freifunk mit Zapp-Script und zur Privilegierung nach § 8 TMG

Montag, 20. Februar 2017

(Crosspost von offenenetze.de)

Das Kammergericht (KG) Berlin hat am 8.2.2017 in einem Verfahren eines Freifunkers gegen einen abmahnenden Rechteinhaber eine Entscheidung getroffen. Zu dem Verfahren hatte ich hier im Blog schon berichtet. Kläger war ein Freifunker, der eine Splash-Seite und das Zapp-Script (dazu hier) installiert hatte. Er war abgemahnt worden und hatte daraufhin negative Feststellungsklage mit dem Ziel erhoben, feststellen zu lassen, dass der beklagte Rechteinhaber die in der Abmahnung behaupteten Rechte gegen ihn nicht hat.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben (meine Bewertung dazu hier), dagegen hatte die Beklagte Berufung eingelegt. Während des Verfahrens hat die Beklagte dann auf die Ansprüche gegen den Kläger verzichtet. Daraufhin wurde das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und das Kammergericht musste nur noch über die Kosten entscheiden.

Die Entscheidung im Volltext (meine Anmerkungen dazu unten):

KG Berlin, Beschl. v. 08.02.2017 – 24 U 117/15

Leitsätze (von mir):

  1. Auch nach Änderung des § 8 TMG werden Unterlassungsansprüche von der Privilegierung bei richtlinienkonformer Auslegung nicht erfasst.
  2. Sicherungsmaßnahme im Sinne der Rechtsprechung des EuGH kann nicht nur die Verschlüsselung des WLANs und die Identifizierung der Nutzer sein. Vielmehr können auch andere Maßnahmen, die Rechtsverletzungen der Nutzer erschweren, die Störerhaftung entfallen lassen.

Tenor:

I. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen (§ 91a ZPO).

II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.000,- EUR festgesetzt.

GRÜNDE

A.

Nachdem die Parteien den eine negative Feststellungsklage betreffenden Rechtsstreit in der Hauptsache mit widerstreitenden Kostenanträgen für erledigt erlärt haben, war gemäß § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden. Danach erschien dem Senat eine Kostenverteilung wie zu I. des Beschlusstenors quotiert angemessen.

Ohne die auf Seite 7 der Sitzungsniederschrift vom 8. Februar 2017 abgegebene Erklärung, dass die Beklagte gegen den Kläger keine Ansprüche aus einer angeblichen Urheberrechtsverletzung vom 15. März 2013 mehr herleitet, sondern auf diese verzichtet, und die daraufhin übereinstimmend erklärte Erledigung der Hauptsache wäre im Hinblick auf einen gegen den Kläger als Störer gerichteten Unterlassungsanspruch der Beklagten weiter Beweis zu erheben gewesen und war der Prozessausgang insoweit nicht gesichert, sprach insoweit allerdings mehr für ein Obsiegen des Klägers als für sein Unterliegen.

Die in Rede stehende IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt am 15. März 2013 ist dem Kläger zuzuordnen, ohne dass gegen die 1&1 Internet AG als Reseller ein gesonderter Beschluss betreffend die Zuordnung der zu einem bestimmten Zeitpunkt benutzten dynamischen IP-Adresse als bloßes Bestandsdatum erforderlich gewesen wäre (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 – Rn. 20 zitiert nach juris – Sommer unseres Lebens). Dass zur fraglichen Zeit am 15. März 2013 über diese IP-Adresse eine Folge von The Walking Dead zum Herunterladen durch andere Nutzer im Wege des Filesharings angeboten worden ist, sieht der Senat ohne Verbleib vernünftiger Zweifel deshalb als zugrundezulegen an, weil unter einer ebenfalls dem Kläger zugeordneten IP-Adresse am 6. April 2013 dasselbe Werk angeboten worden ist. Unbeschadet der Einwände gegen die Erfassung von Rechtsverletzungen für die Beklagte durch die Guardeley Ltd. liegt es ausgesochen fern, dass es kurz nacheinander zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein soll (vgl. auch OLG Kön, Urteil vom 16. Mai 2012 – I-6 U 239/11- Rn.4 zitiert nach juris).

Auch wenn eine täterschaftliche Begehung durch den Klägerin ausgeräumt ist, weil der Senat hierfür die durch Zeugenaussagen bewiesene und durch die eigenen Angaben des informatorischen angehörten Klägers untermauerte Freifunkereigenschaft des Klägers genügen lässt, stand eine Störerhaftung des Klägers für den auf §§ 97 Abs.1 S.1, 2,19a UrhG gestützten Unterlassungsanspruch weiterhin im Raum. Die schon in BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, Rrn. 22 ff. zitiert nach juris – Sommer unseres Lebens – angesprochene Prüfpflicht mit der Folge der Störerhaftung, wenn gebotene Sicherungsmaßnahmen unterbleiben, besteht nach Auffassung des Senats für „altruistische“ Freifunker auch nach der jüngsten Änderung des § 8 TMG bei richtlinienkonformer Auslegung im Lichte des Urteils des EuGH vom 15. September 2016 – C-484/14 „McFadden“ (GRUR 2016, 1097 ff.) fort. Es kam also bei Beweispflicht des Klägers darauf an, ob er bei Verzicht auf einen Passwortschutz die sonstigen Sicherungsmaßnahmen im Sinne des Beweisbeschlusses vom 19. Januar 2016 (Bd. II Bl. 10 d.A.) tatsächlich und Rechtsverletzungen zumindest hinreichend erschwerend ergriffen hatte. Dies lässt sich nach dem Erkenntnisstand des Senats im Zeitpunkt der Abgabe der Hauptsacheerledigungserklärungen nicht abschließend beantworten. Auch wenn nach dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen V…, der allerdings den Router des Klägers selbst in Nachhinein sinnvoll nicht mehr begutachten konnte, den Angaben der vom Kläger benannten Zeugen P… und R… und den eigenen Bekundungen des informatorisch befragten Klägers schon manches dafür spricht, dass dies der Fall gewesen sein könnte, waren noch etliche Restzweifel und Fragen offen. Anders als vom Kläger schriftsätzlich behauptet worden ist, hatte der Zeuge P… das Aufspielen der Firmware auf den Router des Klägers nicht selbst vorgenommen, der Zeuge R… ohne nicht nicht, so dass die Beweisführung mittelbarer bleiben musste, was die Beweisanforderungen im Übrigen mit prägen muss und ein weiteres Abarbeiten der ohnehin schriftsätzlich von der Beklagten zum schriftlichen Sachverständigengutachten bereits angekündigten Fragen unentbehrlich gemacht hätte. Zur Versionsnummer des verwendeten Zapp-Scripts und zum eingestellten Schwellwert ist selbst aus der Aussage des Zeugen P… wenig Honig zu saugen. Unwägbarkeit und weiteren Aufklärungsbedarf zum Schwellwert wirft auch die Angabe des Zeugen R…, der auch größere Datenmengen heruntergeladen hat, auf, im Jahre 2013 habe es bei Benutzen des klägerischen Freifunkanschlusses durch ihn zwar durchaus mal „geruckelt“, im Ergebnis habe er aber die gewünschte Datenmenge erlangt.

Der bei bloßer Störerhaftung nicht gegebene Schadensersatzanspruch fällt hier entsprechend § 92 Abs. 2 ZPO bei der nach § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung nicht ins Gewicht.

B.

Der Streitwert für das Berufungsverfahrens beträgt bis zu 16.000,00 EUR, §§ 3,4 ZPO. Dabei folgt der Senat den Erwägungen der Vorderrichter aus dem Beschluss vom 7. Juli 2015 zur Bewertung der Hauptansprüche, war aber § 4 ZPO zu den Nebenforderungen zu beachten.

 

 

ANMERKUNG

Mir liegt nur der Beschluss des Kammergerichts vom 8.2.2017 vor. Das KG macht dabei Ausführungen, die ich ohne Kenntnis der Akte und der mündlichen Verhandlungen, insbesondere der bisher schon durchgeführten Beweisaufnahme nicht abschließend bewerten kann. Der folgende Beitrag enthält daher einen gewissen Anteil „Kaffeesatzleserei“.

Weil die Konstellation der negativen Feststellungsklage nicht so häufig ist, spreche ich im Folgenden statt von „Kläger und Beklagte“ lieber von „Freifunker“ und „Rechteinhaber“. Dann sind die Rollen klarer.

Zunächst zur Einstimmung der prozessuale Hintergrund:

Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Für einen solchen Fall sieht § 91a ZPO ein besonderes Verfahren vor, in dem nur noch über die Kosten des Verfahrens entschieden werden soll. Es soll insbesondere nicht mehr Beweis erhoben werden und es soll auch nicht mehr mündlich verhandelt werden. Denn das, worum es eigentlich ging, ist ja von den Parteien schon beigelegt worden.

Das Gericht muss in solchen Fällen eine Entscheidung nach dem bisherigen Sachstand treffen. Kann das Gericht auf dieser Grundlage eine Entscheidung ohne Weiteres treffen, kann es auch eine relativ klare Kostenentscheidung fällen. Als Beispiel hier: Hätte das Kammergericht gesagt, dass der Rechteinhaber keinen Anspruch gegen den Freifunker hatte, hätte der Rechteinhaber die Kosten voll tragen müssen, oder eben anders herum.

Dies war hier aber nicht der Fall. Das KG hat deutlich gemacht, dass es nach dem bisherigen Stand nochmal hätte Beweis erheben müssen. In solchen Fällen ist es üblich, dass eine Kostenteilung (50/50) vorgenommen wird. Denn wie eine Beweisaufnahme ausgeht, kann (und soll) das Gericht nicht voraussehen.

Trotzdem hat das KG hier eine Kostenquote zu Gunsten des Freifunkers angesetzt. Nach dem oben Gesagten ist die Kostenverteilung 1/3 zu 2/3 eher ungewöhnlich, daher muss man sich die Gründe ganz genau ansehen.

Dabei möchte ich auf die folgenden Punkte näher eingehen: IP-Adressermittlung, Täterhaftung und Störerhaftung.

  1. IP-Adressermittlung

Zwischen den Parteien streitig war – wie in vielen Filesharing-Fällen –, ob die von der Beklagten festgestellte IP-Adresse überhaupt dem Anschluss des Freifunkers zuzuordnen war. Traurige Berühmtheit hat dabei die Firma Guardaley erlangt, das Problem ist aber grundsätzlicher Natur.

Generell ist die IP-Adressermittlung auch nach den vielen Entscheidungen des BGH (z.B. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14, GRUR 2016, 176 – Tauschbörse I) noch immer eine große Unbekannte. Hier hat sich das Kammergericht aber festgelegt und – wie auch viele andere Gerichte – die Auffassung vertreten, dass es für seine Überzeugungsbildung ausreicht, wenn der Film hier an zwei unterschiedlichen Tagen von der selben IP-Adresse heruntergeladen worden ist.

Die Frage mit dem Reseller ist derzeit in der Rechtsprechung umstritten (s. z.B. OLG Köln, Beschluss vom 27.11.2012 – 6 W 181/12, GRUR-RR 2013, 137; AG Koblenz, Beschluss vom 02.01.2015 – 153 C 3184/14, CR 2015, 190), darauf möchte ich hier aber nicht näher eingehen.

Ergebnis: Die Rechtsverletzung ist (aus Sicht des KG) vom Anschluss des Freifunkers und damit vom Freifunknetz ausgegangen. Dementsprechend muss ein Nutzer dieses Anschlusses den Film angeboten haben.

  1. Täterschaft des Freifunkers

Bei der Haftung für Filesharing muss man immer zwischen der Haftung als Täter und der Haftung als Störer unterscheiden. Täter ist in der Regel, wer die Tat selbst begeht. Täter haften dem Rechteinhaber unproblematisch auf Unterlassung und Schadensersatz. Anders ist es bei der Störerhaftung. Der Störer kann nur auf Unterlassung (und ggf. Ersatz von Abmahnkosten) in Anspruch genommen werden.

Das Kammergericht war sich hier sicher, dass der Freifunker selbst nicht Täter der Rechtsverletzung war. Dafür ist wohl Beweis erhoben worden und das reichte dem Kammergericht. Zur Beweisaufnahme selbst kann ich nichts sagen, aber dass der Freifunk-Betreiber Täter ist, ist in der Regel unwahrscheinlich.

Damit war der Schadensersatzanspruch des Rechteinhabers schon mal vom Tisch, wobei das für das Kammergericht in der Kostenentscheidung entsprechend § 92 Abs. 2 ZPO (geringfügiges Unterliegen) unbeachtlich war. Grund dafür ist, dass der Schadensersatzanspruch vom Streitwert des Gesamtverfahrens her in der Regel gering ist. Hier ging es um einen Streitwert von EUR 16.000,-, wobei der Schadensersatz vermutlich wenige hundert Euro ausmachte.

  1. Störerhaftung des Klägers

Jetzt kommt der spannende Teil und der hält sowohl Positives wie Negatives für Freifunker bereit.

a. Prüfpflichten

Das KG sagt im Wesentlichen, dass im Lichte der „McFadden“-Entscheidung des EuGH (EuGH EUZW 2016, 821 – McFadden; dazu eingehend hier und Mantz, EuZW 2016, 817) den Betreiber eines Freifunk-Netzwerks Prüfungspflichten treffen. Das ist die schlechte Nachricht, die ist aber nach dem EuGH-Urteil nicht mehr überraschend.

In diesem Urteil hatte der EuGH insbesondere eine „Sicherung des Netzwerks“ inklusive Identifizierung des Nutzers als zumutbar erachtet (dazu eingehend hier und Mantz, EuZW 2016, 817).

b. Unterlassung und der neue § 8 TMG

An diesem Punkt von Interesse: Das KG sieht Prüfpflichten „auch nach der jüngsten Änderung des § 8 TMG bei richtlinienkonformer Auslegung“ als zumutbar an. Wir erinnern uns: Die Große Koalition hatte vollmundig behauptet, dass die Störerhaftung bei WLANs mit ihrer Änderung in § 8 TMG abgeschafft würde. Das hatte sie aber nicht in den Gesetzestext reingeschrieben, sondern nur in die Entscheidungsgründe. Meine Prognose war, dass die Rechtsprechung dies nicht ausreichen lassen wird (s. hier und Mantz, EuZW 2016, 817). So ist es nun gekommen. Das KG hat sich damit nicht intensiv befasst (was bei Entscheidungen nach § 91a ZPO nicht ungewöhnlich ist), hat aber ausdrücklich trotz der Neuregelung einen Unterlassungsanspruch nicht ausgeschlossen.

c. Inhalt der Prüfpflichten

In der Folge wird es aber noch einmal richtig interessant: Das KG sagt nämlich trotz des EuGH-Urteils, dass der Freifunker nicht zwingend einen Passwortschutz einrichten musste oder dass eine Registrierung der Nutzer erforderlich wäre, wie das der EuGH ja nahe gelegt hat. Wenn es dies anders gesehen hätte, dann hätte der Kläger hier die Kosten voll tragen müssen, weil er – da er auf ein Passwort oder eine Identifizierung verzichtet hat – als Störer gehaftet hätte.

Nach meinem Kenntnisstand hatte der Freifunker das Zapp-Script installiert. Das ist ein kleines Script, das auf dem WLAN-Router läuft und – stark vereinfacht – im Grunde genommen die Anzahl der von einem Nutzer aufgebauten Verbindungen beobachtet. Nutzt jemand Filesharing, werden in kurzer Zeit viele Verbindungen aufgebaut. Wenn das Script das erkennt, wird der Nutzer wohl gesperrt oder ähnliches.

Das KG hat nun gesagt, dass es über die Frage, ob der Kläger „sonstige Sicherungsmaßnahmen“, die „Rechtsverletzungen zumindest hinreichend erschwert hätten“ (so hatte das der EuGH formuliert) Beweis erheben muss.

Damit positioniert sich das KG so, dass es es für möglich hält, dass das Zapp-Script als eine solche Maßnahme ausreichend sein kann, wobei dies vom eingestellten Schwellwert abhängen könnte.

Dass das KG auf diese Grundlage dem Kläger nur 1/3 der Kosten auferlegt hat, deutet zudem darauf hin, dass das KG es für wahrscheinlich gehalten haben könnte, dass die Beweisaufnahme eine solche hinreichende Erschwerung von Rechtsverletzungen durch das Zapp-Script erbracht hätte und deshalb der Rechteinhaber keinen Anspruch gegen den Freifunker gehabt hätte.

Mit anderen Worten: Ich verstehe das KG so, dass ein ordentlich eingerichtetes Zapp-Script, das Rechtsverletzungen durch Filesharing erschwert, die Störerhaftung des Freifunkers entfallen lassen kann. Das ist die positive Nachricht.

Eine „Unwägbarkeit“ im Hinblick auf die durchzuführende Beweisaufnahme und damit quasi eine Begründung dafür, warum der Freifunker überhaupt einen Teil der Kosten tragen muss, hat das KG darin gesehen, dass der Zeuge R auch „größere Datenmengen“ heruntergeladen hat. Ich weiß nicht, was das bedeutet, weil ich nicht weiß, was der Zeuge R gemacht und was er in der Beweisaufnahme ausgesagt hat. Wenn der Zeuge R im Freifunknetz des Klägers Filesharing ausprobiert hat und dieses durch das Zapp-Script hätte verhindert werden sollen, aber nicht wurde, dann hätte das KG vielleicht eine Störerhaftung des Klägers angenommen. Wenn der Zeuge R aber einfach nur irgendwo per http oder ftp „größere Datenmengen“ (mit „Ruckeln“) heruntergeladen haben sollte, dann hätte das Zapp-Script ja gar nicht anspringen können/müssen, deshalb kann ich diesen Punkt nicht so gut einschätzen.

Fazit

Die Entscheidung des KG ist zum einen für Freifunker (eher) positiv. Denn es macht deutlich, was von Freifunkern verlangt werden kann, um die Anforderungen des EuGH zu erfüllen, ohne dass gleich eine Verschlüsselung und Identifizierung der Nutzer erfolgen muss. Es wäre schön gewesen, wenn der EuGH zum Zapp-Script auch gleich Stellung hätte nehmen können, das war aber vor dem Landgericht München I (dazu hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85) nicht Thema und deshalb war diese Frage an den EuGH auch nicht gerichtet worden. Problematisch ist an dem Ganzen natürlich, dass das Zapp-Script so eingestellt sein muss, dass es Rechtsverletzungen tatsächlich erschwert. Das ist für den Freifunker sicher nicht ganz einfach zu beantworten.

Die Entscheidung des KG stellt zum anderen meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag zur Auslegung der EuGH-Entscheidung dar. Denn sie macht klar, dass das „Verschlüsseln und Registrieren“-Mantra nicht zwingend ist.

Bedauerlich ist – unabhängig von der Entscheidung des KG -, dass die Änderung in § 8 TMG im Grunde keine Verbesserung gebracht hat. Hier müsste wohl auf europäischer Ebene nachgebessert werden.

Hilfe bei Abmahnungen: Selbstverteidigungshilfe gegen unberechtigte Abmahnungen

Dienstag, 23. August 2016

Der Förderverein freie Netzwerke (Freifunk) und der Chaos Computer Club (CCC) stellen den Abmahnbeantworter vor. Jeder, der beim Teilen seines Internetanschlusses Ziel einer unberechtigten Abmahnung geworden ist, kann sich damit auf einfachem Weg zur Wehr setzen.
Wir bieten mit dem Abmahnbeantworter eine Website [1] an, die dabei hilft, dem unberechtigten Abmahnwesen einen Strich durch die profitable Rechnung zu machen. Gerade Freifunker, Betreiber von Flüchtlingsunterkünften und Freiwillige aus der Tor-Community sind nicht selten Leidtragende von unberechtigten Abmahnungen, die das Anbieten von Infrastruktur für freie und offene Netze zunehmend erschweren. Dagegen wollen und sollten wir uns wehren.

Manche Abmahnanwälte arbeiten mit generischen, automatisch formulierten und massenweise verschickten, oft aber unberechtigten Schreiben. Wir wollen mit dem Abmahnbeantworter ebenso halbautomatisch dagegen ankämpfen und den Weg für möglichst viele Betroffene ebnen, sich später auch gerichtlich gegen nicht rechtzeitig zurückgezogene Forderungen zu wehren.

Viele unberechtigt Abgemahnte zahlen die Forderungen widerspruchslos – oft aus Angst oder um weitere Kosten einer korrekten juristischen Beratung und Unsicherheiten im angedrohten Prozess zu vermeiden. Ihre Angst wird geschürt durch die häufig unrealistisch knappen Fristen der Abmahner.

„Dass einige Kanzleien in Deutschland mit automatisierten Abmahnverfahren versuchen, ihren Reibach zu machen, hat sich zu einem ernsten Hindernis für freie Kommunikation entwickelt. Mit dem Abmahnbeantworter wollen wir diesen Sumpf nun trockenlegen – juristisch sauber und für die betroffenen Aktivisten bequem“, sagte CCC-Sprecher Linus Neumann zur Zielsetzung der Aktion von CCC und Freifunk.

Der Abmahnbeantworter von Freifunk und CCC wurde mit Juristen entwickelt, die jahrelange Erfahrungen in der Verteidigung von Aktivisten aus der Freifunk- und Tor-Community gesammelt haben. Sie kennen die teilweise grotesk zusammengewürfelten Textbausteine fast auswendig, mit denen ihre Mandanten zu Panikreaktionen getrieben werden sollen. Der Abmahnbeantworter kombiniert diese nun paßgenau mittels eines kleinen, datensparsam im Browser ausgeführten Skripts. So können wir in alter CCC-Manier keine Daten sammeln, weil sie gar nicht erst anfallen.

„Es ist aufwendig genug, die Technik freier Netze am Laufen zu halten und weiterzuentwickeln“, so CCC-Sprecher Linus Neumann weiter. „Wer seine Freizeit dafür opfert, soll sich nicht auch noch manuell um gierige Abmahnanwälte kümmern müssen. Das kann ein kleines Script viel besser.“

Der Abmahnbeantworter ist aus juristischer Sicht ein erster Schritt zu einer erfolgreichen sogenannten negativen Feststellungsklage: Er bringt den Abmahner unter Zugzwang, seine Abmahnung zurückzunehmen. Und er schafft die rechtlichen Voraussetzungen, um später erfolgreich eine negative Feststellungsklage zu erheben, falls die Abmahnung nicht fristgerecht zurückgenommen wird.

Bei den Gerichten könnte sich auf diese Weise langsam die Lebensrealität der Internetteilnehmer durchsetzen, dass nämlich Anschlussinhaber als Empfänger der Abmahnung oft eben nicht der einzige Nutzer des Anschlusses ist.

Wenn sich auch nur ein Prozent der unberechtigt Abgemahnten auf diese Art wehren, besteht endlich wieder ein ernsthaftes Risiko für den Abmahner, wenn er nicht sorgfältig arbeitet. Das Externalisieren der Kosten auf Unschuldige, um ein Geschäftsmodell so profitabel wie möglich zu gestalten, sollte endlich unterbunden werden.

Was wir fordern

Nachdem selbst die Bundesregierung in diesem Jahr die kontraproduktive Wirkung der Störerhaftung auf den offenen Netzzugang erkannt hat, fordern wir nun, dass auch die Abmahnindustrie endlich zurückgedrängt wird.

Wir fordern vom Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz:

1. Generische Abmahnschreiben mit ebenso generischen Vordrucken zur Abwehr versehen.

Der Abmahnbeantworter basiert auf einem einfachen, für Laien leicht auszufüllenden Formular. Abmahner sollten verpflichtet werden, einen ebenso simplen Vordruck zur Verteidigung gegen unberechtigte Abmahnungen beizulegen. Bei gerichtlichen Mahnverfahren ist dies zum Beispiel längst der Fall.

2. Kostentransparenz herstellen.

Eine Abmahnung muss nicht zwingend eine Kostennote beinhalten – dennoch ist diese bei vielen Abmahnkanzleien längst zum Geschäftsmodell geworden. Über die wirklichen Kosten massenhaft versendeter Abmahnpost sollten diese informieren und damit verpflichtet werden, Kostentransparenz herzustellen.

3. „Beweise“ widerlegbar präsentieren.

Abmahnungen werden oft in Verbindung mit einer Reihe von Tatsachenbehauptungen begründet, die Laien kaum verstehen oder nachvollziehen können. Wir fordern, dass sie für Durchschnittsbürger leicht verständlich und in falsifizierbarer Form präsentiert werden.

Mit dem Abmahnbeantworter ist ein erster Schritt gegen das Geschäftsmodell der Massenabmahnungen getan: Der Abwehraufwand für zu Unrecht Abgemahnte sinkt, während der Aufwand für die automatisiert abmahnenden Kanzleien steigt – mit jedem Widerspruch, den sie erhalten. Ein Geschäftsmodell, das von unberechtigten Forderungen lebt, die von eingeschüchterten Unschuldigen aus Sorge unwidersprochen beglichen werden, sollte ein Ende finden.

Links:

Dieser Beitrag erschien zuerst auf den Seiten des CCC.

Stellungnahme zu „Digitaler Flüchtlingshilfe“ im Ausschuss Digitale Agenda

Montag, 13. Juni 2016

Am 8. Juni war Monic Meisel als Sachverständige zum Thema „Digitale Flüchtlingshilfe“ zur 66. Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda eingeladen.

Ihre dort vorgetragenen Punkte hat Monic auch als schriftliche Stellungnahme verfasst, die hier nachlesbar ist:

Nachdem mein Kollege Christian Heise schon einmal die Gelegenheit hatte, einige Aspekte der digitalen Flüchtlingshilfe mit Ihnen anzusprechen, freue ich mich über die Gelegenheit, mit Ihnen über die neueren Entwicklungen zu sprechen. Ich bin Mitbegründerin der Initiative freifunk.net und des Unterstützerkreises des Refugees Emancipation e. V. Hinter beiden Projekten steht der Förderverein freie Netzwerke e. V., in dem ich Mitglied des Vorstandes bin.

Zu den Projekten:

Der Förderverein freie Netzwerke e. V. beschäftigt sich seit 2003 gemeinsam mit über 300 lokalen Freifunk-Gruppen mit dem Aufbau nicht-kommerzieller, dezentraler IT-Infrastrukturen, Bildung und Kultur zu digitalen Datennetzen sowie mit der Förderung lokaler Kommunikation.

Freifunker_innen bauen in Eigenregie freie IT Infrastruktur auf. Wir teilen in diesen unabhängigen Netzwerken Zugang zum Internet und machen diesen öffentlich und anonym zugänglich. In den Freifunk-Netzen werden aber auch unabhängig vom Internet lokal Dienste und Informationen angeboten.
Wir engagieren uns ehrenamtlich und agieren dezentral. Wir setzen uns FÜR Netzneutralität und Datensparsamkeit und GEGEN Überwachung und Zensur ein. Unser Ziel ist dabei die ungehinderte Verbreitung von Wissen und Ressourcen.

Seit 2012 sind viele der Freifunker_innen in der digitalen Flüchtlingshilfe aktiv und haben bisher über 350 Einrichtungen mit Zugang zum Internet ausgestattet und damit die Voraussetzung für die digitale Flüchtlingshilfe geschaffen.

2014 initiierte der Förderverein freie Netzwerke mit weiteren Organisationen den Unterstützerkreis des Refugees Emancipation e. V.

Refugees Emancipation (RE) ist von Geflüchteten selbst organisiert und richtet in Unterkünften Internetcafés ein. Dabei ist die Organisation von Computerkursen und Bildungsarbeit ein wesentlicher Aspekt. ABER die Cafés bilden eben auch einen Ort der Begegnung, um der Isolation der Heimbewohner entgegenzuwirken. Sie ermöglichen Abwechslung im tristen Heimalltag und Gelegenheit zum Austausch untereinander. Die Administratoren der Cafés sind wichtige Ansprechpartner und Informations-Hubs unter den Bewohnern für alle möglichen Fragen, weit über Computerkenntnisse hinaus.

Beide Projekte bieten seit mehr als 15 Jahren Hilfe zur Selbsthilfe, klären über digitale Infrastrukturen auf, fördern vorhandene und neue Sozialstrukturen und tragen zur Bildung und Kultur bezüglich kabelloser und kabelgebundener Computernetzwerke, die der Allgemeinheit zugänglich sind (freie Netzwerke), bei. Dies ist gesamtgesellschaftlich wichtig, denn Deutschland hängt nicht nur bei Technik-/Medienkompetenz der Bevölkerung hinterher, sondern vor allem in puncto Breitbandausbau. Der in der Digitalen Agenda geforderte marktgetriebene Internet-Ausbau funktioniert nicht überall und für alle. Ländliche und öffentliche Räume sowie soziale oder kulturelle Projekte bieten eben kein ausreichendes Geschäftsmodell und bleiben somit unterversorgt.

Besonders betroffen sind davon Menschen, denen finanzielle Mittel fehlen. Ein wichtiges Ziel unseres gemeinsamen Engagements ist die Verminderung der digitalen Spaltung. Eben Chu, Mitgründer von RE sagt: „Internet is not a luxury, it’s a necessity.“ Nicht nur unserer Meinung nach ist Zugang zum Netz ein Menschenrecht.

Er bildet die Voraussetzung, um u. a. das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Informations-/Kommunikationsfreiheit wahrnehmen zu können. Dies haben der Menschenrechtsrat und das europäische Parlament bereits mehrfach bestätigt. Das Recht auf Bildung ist in der Genfer Flüchtlingskonvention verankert.

Auch in Deutschland wurden zum Thema „Recht auf Zugang“ bereits vom Bundesverfassungsgericht und BGH entsprechende Urteile gefällt.

Der Zugang zum Internet bildet außerdem die Grundlage für alle anderen Initiativen im Rahmen der digitalen Flüchtlingshilfe. Lassen Sie uns also nicht mehr darüber diskutieren, ob Zugang zum Netz wichtig ist.

Lassen Sie uns stattdessen besprechen, wie Breitbandzugang zum Netz für alle Menschen in Deutschland zügig umsetzbar ist.

Zur aktuellen Situation:

Die Bereitschaft zu helfen ist gerade innerhalb der Tech-Community immer noch groß. Unternehmen spenden Hardware und Ausstattung, aber vor allem spenden Menschen Zeit für Installationen und Einrichtung von Zugängen und Computer-Arbeitsplätzen. In Workshops wird Technik- und Medienkompetenz vermittelt.

Schaut man sich die Kooperationsbereitschaft der Betreiber von Flüchtlingseinrichtungen an, ist diese sehr unterschiedlich ausgeprägt. Es braucht nachbarschaftliche Unterstützergruppen, die dabei unterstützen, die Aktivitäten zu ermöglichen. Es braucht auch die genannte Rechtssicherheit, da noch immer viele Betreiber auf Grund der Rechtslage von der Bereitstellung von Internetzugängen absehen.

RE engagiert sich überwiegend in Dauerunterkünften in Berlin-Brandenburg und hält zur Zeit 8 Internetcafés und ein Büro in Betrieb. Es gibt teilweise Rückschläge, da aus unterschiedlichen Gründen bestehende Internetcafés in Unterkünften wieder geschlossen werden mussten. Besonders schwierig ist es, überhaupt Räumlichkeiten innerhalb der Unterkünfte zur Selbstverwaltung zu bekommen, die Unterzeichnung entsprechender Nutzungsverträge zieht sich lange hin. Logistische Probleme sind aufgrund hoher Fahrt-  und Transportkosten an der Tagesordnung.

Es ist schwierig, die Administration der Internetcafés zu stabilisieren, da die Geflüchteten nun einmal in instabilen Umständen stecken. Die Frustration durch lange Zeiten ohne Aktivität, geschweige denn (bezahlte) Beschäftigung ist groß, die Menschen langweilen sich jeden Tag. Wochenlang. Teilweise jahrelang.

Freifunker_innen engagieren sich viel in Notunterkünften und haben vor allem mit der Angst vor Abmahnungen zu kämpfen. Zum Schutz gegen die Störerhaftung werden technische Lösungen aufrecht erhalten, die Aufwand und Kosten verursachen, aber vor allem das Netz viel langsamer machen, als es sein müsste.

Häufig sind aber auch schlicht keine breitbandigen Internetzugänge in Turnhallen oder ähnlichem verfügbar, die sich mittels WLAN öffnen ließen. Dann springen Nachbarn oder Unternehmen ein und es wird mittels Freifunkeigenen Richtfunknetzen von außen Zugang zur Verfügung gestellt. Die Kapazität reicht dann bei der Menge an Nutzern nur für schmalbandige Internetverbindungen. Bauliche Gegebenheiten wie in Containersiedlungen führen dazu, dass das WLAN nicht überall zugänglich gemacht werden kann.

Manchmal geht es auch um die Kostenübernahme für den Internetanschluss, obwohl schon ein 50 oder 100 Mbit Zugang eine Grundversorgung ermöglichen würde … umgerechnet auf die Anzahl der Nutzer_innen eigentlich ein verschwindender Betrag.

Sie müssten die Menschen sehen… Helfer und Geflüchtete sind jedes Mal überglücklich, wenn sie Internet bekommen! Es ermöglicht, sich zu orientieren und zu informieren, E-Mails und Nachrichten auszutuaschen, sinnvolle Beschäftigung oder einfach Ablenkung zu finden.

Welche Rahmenbedingungen kann die Politik setzen?

  1. Die Beendigung der Rechtunsicherheit bzgl. öffentlich zur Verfügung gestellten Internetanschlüssen ist am 02.06.2016 leider nicht vollständig beseitigt worden. Dies sehen alle Akteure bis auf die Regierungsparteien so  und die Abmahnkanzleien kündigen bereits öffentlich an, weiter zu machen wie bisher. Glauben Sie nun, dass öffentliche Einrichtungen und Unterkunftsbetreiber in dieser Lage WLAN offen anbieten, oder müssen weiter Ehrenamtler mit technischen Lösungen, Rechtsberatung und viel Aufwand einspringen? Das neue Gesetz geht nicht weit genug!
  2. Die Qualitätsanforderungen in den Betreiberverträgen für die Unterbringung von Menschen, egal ob in Obdachlosenheimen oder Unterkünften von Geflüchteten muss unzensierten, freien Internetzugang in ausreichender Verfügbarkeit umfassen. Ebenso wie die kostenlose Bereitstellung von Räumen und Endgeräten für Bildung, Information und Kommunikation. Diese Anforderungen müssen kontrolliert und Betreiber bei Nichteinhaltung sanktioniert werden.
  3. Ein Skandal ist: Die Kürzung der Telekommunikationspauschale für Geflüchtete, in deren Unterkunft WLAN vorhanden ist, wie in Bayern geschehen. Es ist nicht nur frustrierend, da diese WLAN-Zugänge von Ehrenamtlern aufgebaut und nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden, sondern vor allem unzulässig in der Sache. Es können eben nicht alle Bewohner bzw. einige nur unzureichend davon profitieren. Einerseits ersetzt diese Minimalstversorgung keinesfalls die Möglichkeit zu telefonieren oder unterwegs mobiles Internet nutzen zu können, andererseits verfügen nicht alle Geflüchteten über Endgeräte.
  4. Die Förderung von Maßnahmen zur Vernetzung der Helfer-Gruppen untereinander und mit der Verwaltung, Maßnahmen zur Aufklärung der Betreiber und Nachbarn, sowie die Bereitstellung von Sachmitteln im Bereich des digitalen Ehrenamtes sind notwendig.
  5. Es sollte eine besondere finanzielle Förderung von Initiativen geben, die Geflüchtete aktiv einbinden, indem sie auch Arbeitsplätze und somit Perspektiven für diese schaffen.
  6. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Freifunk-Vereine steht weiterhin ungeklärt im Raum, obwohl altruistisch und unentgeltlich, vor allem aber ohne Zugangsbeschränkungen, Internet als öffentlicher Raum zugänglich gemacht wird.
  7. Außerdem muss die Verlängerung der „Steuerlichen Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge“ über 2016 hinaus dringend beschlossen werden
  8. Sie können den Abbau von bürokratischen Hürden voran treiben und vertrauenswürdige Ansprechpartner bereitstellen, um den Kampf mit dem Verwaltungsdschungel für Engagierte besser und schneller bewältigbar zu machen.
  9. Die Anerkennung des digitalen Ehrenamtes mittels entsprechender Auszeichnungen steht an, um das öffentliche Bewusstsein für dieses wichtige zivilgesellschaftliche Engagement zu stärken.
  10. Weitere Punkte, an denen gearbeitet werden muss, um Hindernisse speziell für WLAN-Initiativen auszuräumen, sind:
    • Die EU-Direktive zu Funkanlagen, welche die Verwendung von alternativer Software zu verhindern droht und Sicherheitsrisiken eröffnet, kann nicht 1:1 ins deutsche Recht übernommen werden.
    • Die Einführung von LTE-U, die das lizenzfreie 5 GHz Band für WLAN schwer nutzbar bis vollständig blockiert und somit unsere Richtfunkstrecken zur Versorgung von Unterkünften unbrauchbar macht, muss verhindert werden.
    • Die weitere Übernutzung der lizenfreien WLAN-Funkfrequenzen durch kommerzielle Anbieter, z. B. durch den Konsumenten aufgezwungenes Offloading, muss eingeschränkt werden.
    • Es fehlt es an Frequenzen explizit für nicht-kommerzielle Betreiber.

An dieser Stelle möchte ich auch noch mal für das Schreiben einer Abgeordneten aus dem Ausschuss an uns danken, wir hoffen sehr dass auch die anderen Abgeordneten unser Engagement unterstützen und weiter an der Verbesserung der Rahmenbedingungen arbeiten.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Die gesamte Ausschusssitzung ist als Aufzeichnung verfügbar:

Fast 2 Jahre später: Union gibt Widerstand gegen Abschaffung der WLAN-Störerhaftung (anscheinend) auf

Freitag, 06. Mai 2016

Im Laufe der Woche wurde bekannt, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel das Streitthema WLAN-Gesetz vom Tisch haben will. Klingt erstmal erfreulich, oder? Hier der Crosspost vom Blog des Digitale Gesellschaft e.V. mit dem wir gemeinsam seit über 2 Jahren an der Abschaffung der WLAN-Störerhaftung arbeiten:

„Die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung ist lange überfällig. Wir begrüßen daher die Entscheidung der Union, den Widerstand gegen die Öffnung der Netze aufzugeben. Schade ist, dass es dazu erst eines Machtworts der Kanzlerin und einer Belehrung durch den Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof bedurfte. Schon seit 2014 liegt dem Bundestag ein Oppositionsentwurf zur bedingungslosen Abschaffung der Störerhaftung vor. Dieser muss nun schnellstens verabschiedet werden, damit Deutschland endlich Anschluss an den international längst üblichen Standard bei offenen Netzzugängen findet.“, erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Wie Bild.de gestern berichtete, will die Unionsfraktion im Bundestag offenbar ihren Widerstand gegen die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung aufgeben. Kanzlerin Merkel soll ein Machtwort gesprochen haben, um das Thema noch in diesem Monat vom Tisch zu bekommen. Bislang bestand insbesondere die CDU/CSU-Fraktion auf Passwortsicherung und Vorschaltseite als gesetzliche Bedingungen für die Befreiung eines WLAN-Betreibers von der Störerhaftung. Nachdem der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) solche Einschränkungen als unvereinbar mit dem EU-Recht bewertet hatte, distanzierten sich Mitte April bereits Innen-, Wirtschafts- und Justizministerium von dem Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Zweimal wurde in den vergangenen Jahren schon versucht, die WLAN-Störerhaftung durch eine Änderung des Telemediengesetzes abzuschaffen, bislang ohne Erfolg. Die dazu 2012 von der Linken und 2014 gemeinsam von Linken und Grünen in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe beruhten jeweils auf einer Vorlage des Digitale Gesellschaft e.V. aus dem Jahr 2012. WLAN-Betreiber, die ihren Zugang für die Allgemeinheit öffnen, werden danach bedingungslos von der Haftung für Rechtsverstöße durch Nutzerinnen und Nutzer freigestellt. Damit entspricht der Entwurf den Vorgaben, welche der Generalanwalt beim EuGH Mitte März in seinem Schlussantrag gemacht hatte. Während der 2012 eingebrachte Entwurf an den Stimmen von Union und FDP scheiterte, wurde der Entwurf von 2014 bisher nur in den Ausschüssen abgelehnt. Im Plenum hingegen wurde er noch nicht abschließend beraten. Um die WLAN-Störerhaftung nun schnellstmöglich abzuschaffen, braucht der Bundestag lediglich den vorliegenden Oppositionsentwurf zu verabschieden. Nicht zuletzt angesichts des Machtworts der Kanzlerin stünde es den Regierungsfraktionen gut zu Gesicht, hier einmal über ihren parteipolitischen Schatten zu springen.

Outtake: Digitalpolitik in Deutschland kann so traurig & peinlich sein.

Auch am Europäische Gerichtshof ist man gegen die WLAN-Störerhaftung

Mittwoch, 16. März 2016

In der heutigen Sitzung des Europäischen Gerichtshofs hat sich der Generalanwalt klar gegen die WLAN-Störerhaftung und gegen den Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telemediengesetzes ausgesprochen und die Abschaffung der Störerhaftung für WLANs ohne alle Hürden wie Vorschaltseite oder Passwort gefordert. Die Bundesregierung muss jetzt endlich handeln und wie von uns und anderen gefordert die WLAN-Störerhaftung ausnahmslos und ohne Hürden abschaffen.

Der Digitale Gesellschaft e.V. fasst das vorläufige Ergebnis wie folgt zusammen:

„Mit seinem Schlussantrag hat der Generalanwalt heute eine wichtige Weichenstellung für mehr offene Funknetze in Deutschland und Europa vorgenommen. Die Große Koalition hat bei dieser Gestaltungsaufgabe bislang leider kläglich versagt. Wir hoffen daher, dass der Europäische Gerichtshof nun für Rechtssicherheit beim Betrieb offener WLANs sorgen wird. Die Hürden für eine flächendeckende Bereitstellung drahtloser Netzzugänge müssen endlich fallen.“, erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Heute hat der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Maciej Szpunar, sein lang erwartetes Schlussplädoyer in dem Verfahren des bayrischen Veranstaltungstechnikers und Freifunkers Tobias McFadden verkündet. Ein Nutzer hatte über ein von McFadden betriebenes offenes Funknetz eine urheberrechtlich geschützte Musikdatei per Filesharing getauscht. Daraufhin war McFadden von dem Rechteinhaber, einem Musikunternehmen, als sogenannter Störer kostenpflichtig abgemahnt worden. Das Landgericht München I, vor dem sich McFadden gegen die Abmahnung zur Wehr gesetzt hatte, legte die Sache schließlich dem EuGH vor. Das Münchener Gericht will erfahren, ob das deutsche Rechtsinstitut der sogenannten „WLAN-Störerhaftung“, das zurzeit maßgeblich auf Vorgaben des Bundesgerichtshofs beruht, mit dem Europarecht vereinbar ist. Der Generalanwalt hat die Aufgabe eines Gerichtsgutachters, der in seinem Schlussantrag den Verfahrensverlauf zusammenfasst und einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet. Der EuGH ist an diesen Vorschlag zwar nicht formal gebunden, folgt ihm aber in den meisten Fällen.

Das Votum des Generalanwalts macht zunächst deutlich, dass die E-Commerce-Richtlinie auch private, nicht gewerbliche Betreiber von drahtlosen Internetzugängen von der Haftung für Rechtsverletzungen durch Nutzerinnen und Nutzer freistellt. Für solche Betreiber ist es nach Ansicht von Szpunar zudem nicht zumutbar, ihren Zugang mit einem Passwort zu sichern, zu verschlüsseln oder den Datenverkehr zu überwachen. Damit gerät nun auch die Große Koalition unter Druck, deren bisheriger Gesetzentwurf zur Reform der WLAN-Störerhaftung klar im Widerspruch zum Schlussantrag des Generalanwalts steht.

Die Piratenpartei Deutschland und der Kläger Tobias McFadden (Mitglied der Piraten) fassen das vorläufige Ergebnis in einer Pressemitteilung wie folgt zusammen:

In dem Rechtsstreit um die Zulässigkeit offener und unverschlüsselter WLAN-Hotspots hat der klagende PIRAT Tobias McFadden einen wichtigen Zwischenerfolg errungen: Das vom Bundesgerichtshof (BGH) angeordnete Verbot offener und unverschlüsselter WLAN-Hotspots, das die Bundesregierung gesetzlich festschreiben will, ist nach Auffassung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof unzulässig.

Zwar könne ein WLAN-Anbieter durch eine gerichtliche Anordnung verpflichtet werden, eine konkrete Rechtsverletzung zu verhindern, doch könne weder die Stilllegung des Internetanschlusses noch seine Sicherung durch ein Passwort oder die allgemeine Überwachung der Kommunikation verlangt werden. Auch eine Identifizierungspflicht für WLAN-Nutzer und eine anlasslose Vorratsspeicherung von IP-Adressen sei unverhältnismäßig und ineffektiv.

Tobias McFadden zur Auffassung des Generalanwalts: »Das ist ein Sieg für uns PIRATEN auf voller Linie. Folgt der Gerichtshof dem Generalanwalt, sind die WLAN-Störerhaftung und der Gesetzentwurf der Bundesregierung tot. Die Bundesregierung muss jetzt ihren fortschrittsfeindlichen Gesetzentwurf zurückziehen und wie in anderen zivilisierten Ländern das freie Angebot offener WLAN-Hotspots sicherstellen!«

Der Datenschutzexperte der Piratenpartei Patrick Breyer kommentiert: »Die von der Content-Mafia geprägte Rechtsprechung der deutschen Gerichte ist von vorn bis hinten europarechtswidrig, darunter Präventivpflichten ohne behördliche oder gerichtliche Anordnung, Unterlassungsverurteilungen ohne Nennung verhältnismäßiger Umsetzungsmöglichkeiten, Verurteilungen zur Kostentragung, zur WLAN-Verschlüsselung oder gar zur Identifizierung oder Vorratsdatenspeicherung der Nutzer. All dem muss die Bundesregierung
jetzt ein Ende setzen – im Sinne des freien digitalen Informations- und Meinungsaustauschs im 21. Jahrhundert.«

WLAN-Störerhaftung: Eine Vorschaltseite und die Rechtstreueerklärung sind keine Lösung

Dienstag, 26. Januar 2016

Seit 1,5 Jahren arbeiten SPD und CDU nun an einer Neuregelung der WLAN-Störerhaftung, die in ihrer aktuellen Form die Verbreitung von offenen und freien WLANs in Deutschland bisher massiv einschränkt. Nach dieser Gesetzeslage haftet ein Anschlussinhabers eines Internetzugangs, wenn andere über dessen Anschluss Rechtsverletzungen begehen (WLAN-Störerhaftung). In den kommenden Tagen finden die finalen Gespräche der beiden Regierungsparteien zur Überarbeitung dieser WLAN-Störerhaftung statt. Bis Mitte/Ende Februar soll dann das Gesetz im Bundestag endgültig verabschiedet werden.

Viele der Hürden aus dem ersten und zweiten Entwurf zur Überarbeitung des Gesetzes wurde mittlerweile aus dem Text gestrichen, das ist gut. Die letzte große Hürde ist allerdings die von der Union geplante und im Entwurf bereits verankerte Vorschaltseite (inklusive einer Rechtstreueerklärung). Warum diese Vorschaltseite bzw. die Rechtstreueerklärung weg muss, hat der Digitale Gesellschaft e.V. in folgenden Argumenten mit unserem Input zusammengetragen:

Juristische Argumente:

  • Der Entwurf legt nicht fest, in welcher Weise die Rechtstreueerklärung abgegeben/eingeholt werden muss. Dadurch wird eine neue Rechtsunsicherheit geschaffen, die das gesetzgeberische Ziel gefährdet.
  • Bedingungen wie eine Rechtstreueerklärung gehen am vereinbarten gesetzgeberischen Ziel vorbei, weil sie Zugangshürden auf- statt abbauen. Im Koalitionsvertrag heißt es auf Seite 35 zum Thema WLAN: „Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen.“ Offene Netze zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass es keine Zugangshürden gibt.
  • Wie schon die EU-Kommission in ihren Bemerkungen im Rahmen der TRIS-Notifizierung feststellte, verletzt eine Rechtstreueerklärung als Bedingung für die Haftungsprivilegierung die Grundrechte aus Art. 16 (Recht auf unternehmerische Freiheit) und Art. 11 (Meinungsfreiheit) EU-Grundrechtscharta. Die Maßnahme stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in diese Grundrechte dar, weil sie zur Erreichung des damit verfolgten Ziels (Verhinderung von Rechtsverletzungen) bereits evident ungeeignet ist.
  • Soweit der TMG-Entwurf mit der Rechtstreueerklärung auf das Einrichten einer Vorschaltseite abzielt, widerspricht er der bisherigen Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 3 TMG. Eine Vorschaltseite würde stets mit einer Manipulation des Datenverkehrs einhergehen. § 8 Abs. 1 Nr. 3 TMG verlangt als Voraussetzung für die Haftungsfreistellung aber gerade, dass der Diensteanbieter die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben darf. Da § 8 Abs. 1 Nr. 3 TMG eine Umsetzung der zwingenden Vorgabe aus Art. 12 E-Commerce-Richtlinie darstellt, kann die Vorschrift auch nicht angepasst oder angeglichen werden, um den soeben aufgezeigten Widerspruch aufzulösen.
  • Da der Entwurf nicht zwischen Gewerbetreibenden und Privatleuten unterscheidet, wäre eine Vorschaltseite mit Rechtstreueerklärung auch dann erforderlich, wenn der Inhaber eines WLAN-Zugangs nur seiner Familie oder Freunden den Netzzugriff über seinen Zugang ermöglichen möchte. Tut er es nicht, müsste er damit rechnen, für Rechtsverletzungen durch Familie und Freunde abgemahnt zu werden.

Technische Argumente:

  • Handelsübliche Router erlauben in der Regel nicht das Einrichten einer Vorschaltseite. Gewerbetreibende und Privatleute, die anderen einen WLAN-Zugang zur Verfügung stellen wollen, wären damit in der Regel technisch überfordert oder müssten Geld für Fachleute aufwenden, die ihnen bei der Einrichtung einer Vorschaltseite helfen.
  • Häufig führt die Vorschaltseite zu Inkompatibilitäten auf mobilen Endgeräten und zur Verwirrung der Nutzer von allen nicht browsernutzenden Applikationen. Beispielsweise ist es mit einem iPhone häufig unmöglich, die Vorschaltseite von Anbietern wie der hotsplots GmbH zu „überwinden“. Der Netzzugang scheitert in diesen Fällen schlicht an der Existenz der Vorschaltseite
  • Eine Vorschaltseite greift aktiv in Benutzerkommunikation ein und verfälscht sie ggf.. Sie ist technisch nur für HTTP ohne Probleme realisierbar und _ohne_ verschlüsselte Kommunikation per „man-in-the-middle“ Attack durch dritte auszunutzen. Router mit Vorschaltseiten könnten somit einfach genutzt werden ohne Kenntnis des Nutzers Benutzerdaten abzufangen oder Fishingangebote aufzubauen

Argumente zu Effektivität und Akzeptanz:

  • Die digitale Entwicklung im Bereich mobiler Netzzugänge wird insbesondere durch umständliche Anmeldeprozeduren bei der WLAN-Nutzung gebremst. Laut einer Umfrage des Branchenverbands BITKOM hält mehr als ein Drittel (35%) der Nutzerinnen und Nutzer die Einwahl in öffentliche WLAN-Hotspots für zu kompliziert.
  • Wer in einer Rechtstreueerklärung ein wirksames Mittel zur „Nutzerdisziplinierung“ erblickt, muss auch die Altersabfrage bei Streamingportalen mit pornographischem Material für eine effektive Maßnahme des Jugendschutzes und das „Wegklicken“ von allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Social-Media-Plattformen für eine taugliche Vorkehrung des Verbraucherschutzes halten. Tatsächlich ist sie als Hürde für die Begehung von Rechtsverletzungen wirkungslos und würde auch nicht zur besseren Verfolgbarkeit eventueller Delikte beitragen.
  • Mehraufwand entsteht ausserdem durch Lokalisierung / Sprachen; und es resultieren daruas Probleme u.a für Internet of Things Geräte (wie sollen die sich verbinden?) sowie ggf. Probleme für Menschen mit Behinderung, wenn die Seite technisch schlecht umgesetzt wird (Kompatibilität mit Screenreader o.ä.)

Argumente zur Datengrundlage:

  • Die Befürworter einer Rechtstreueerklärung tragen eine Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Notwendigkeit einer solchen Erklärung. Sie sollten deshalb im Mindesten belastbare Zahlen zu den angeblichen Rechtsverletzungen über anonyme Netzzugänge beibringen. Dies gilt umso mehr, da bei den Modellversuchen mit offenen Hotspots von Kabel Deutschland/mabb oder Vodafone keinerlei Probleme mit Rechtsverletzungen durch Nutzerinnen und Nutzer festzustellen waren. Es liegen also sogar konkrete Indizien dafür vor, dass die Befürchtungen völlig unbegründet sind.
  • Den Bedenken gegen einen Anstieg von Rechtsverletzungen über anonyme Netzzugänge könnte sehr viel besser mit einer gesetzgeberischen Evaluation ohne Vorschaltseite nach Ablauf von 2 Jahren begegnet werden. Dies hätte den Vorteil, dass zunächst einmal Chancen für Wirtschaft und Zivilgesellschaft durch genuin offene Netzzugänge entstehen könnten und das Risiko von Rechtsverletzungen zugleich überschaubar und beherrschbar bliebe. Zudem würde diese Lösung dazu führen, dass neben den Erkenntnissen aus dem Modellversuch von Kabel Deutschland und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg endlich weitere konkrete Daten zur Frage von Rechtsverletzungen über offene WLAN-Zugänge vorlägen. Bisher gibt es lediglich um Befürchtungen, die einer belastbaren Faktengrundlage entbehren.
  • Das BMVI betreibt bereits seit März 2015 einen offenen Drahtloszugang zum Internet. Dort könnten sich auch und gerade die Befürworter der Rechtstreueerklärung gewissermaßen aus erster Hand einen Eindruck davon verschaffen, wie häufig es tatsächlich zu IP-Adressabfragen wegen Rechtsverletzungen über den offenen BMVI-Zugang gekommen ist.

Freifunker erreicht Klageabweisung vor dem Amtsgericht Hannover

Dienstag, 22. Dezember 2015

Mir liegt ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts Hannover vor, in dem es um die Kosten einer Filesharing-Abmahnung aus dem Jahr 2010 ging (AG Hannover, Urt. v. 10.11.2015 – 441 C 1692/14), wobei der Beklagte seit 2006 Mitglied bei Freifunk Hannover ist nach seinem Vortrag einen entsprechenden Knoten betrieben hat.

Die Klägerin behauptete in dem Verfahren, dass vom Internetanschluss des Freifunkers über Filesharing ein Pornofilm angeboten worden sei. Der Beklagte selbst habe das Werk angeboten.

Der Beklagte verteidigte sich einerseits damit, dass er seit 2006 einen Freifunk-Knoten betreibt. Zudem habe sein Bruder Zugang zum Internetanschluss gehabt.

Das Amtsgericht Hannover hat die Klage – nach hiesigem Dafürhalten ohne Kenntnis des vollständigen Falls  zu Recht – abgewiesen und damit dem Freifunker Recht gegeben. Es sei nicht erwiesen, dass der Beklagte das Werk öffentlich zugänglich gemacht habe. Er hafte auch nicht als Störer.

Das Urteil geht auf die Besonderheiten bei Freifunk leider nicht ein. Die Frage, ob der Beklagte sich auf die Privilegierung des § 8 TMG berufen kann und welche Prüfungs- und Überwachungspflichten zu beachten sind, hat das AG Hannover leider nicht thematisiert (anders z.B. das AG Charlottenburg), aber ähnlich wie das LG Berlin, das ebenfalls in einem Freifunk-Fall eine andere Lösung gefunden hatte.

Für die Frage der Haftung als Täter hat das AG Hannover ganz typisch für Filesharing-Fälle darauf abgestellt, dass der Bruder des Beklagten als Täter in Betracht kam und deswegen keine Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers greife (zur Frage dieser Vermutung und den aktuellen Tauschbörse-Entscheidungen des BGH s. hier). Darauf, dass ja auch alle anderen Nutzer des Knotens auf den Internetanschluss zugreifen konnten und deshalb ebenfalls als Täter in Betracht kamen, musste das AG Hannover deshalb nicht mehr eingehen.

Der Beklagte hafte – für seinen Bruder – auch nicht als Störer, da dieser volljährig und deshalb nicht zu belehren sei. Auch insoweit bleibt das Amtsgericht in den normalen Bahnen typischer Filesharing-Fälle.

Interessant ist auch die Argumentation zur Störerhaftung wegen des Freifunk-Knotens, die ja besonders spannend gewesen wäre. Diesbezüglich hat das AG Hannover formuliert:

„Eine Haftung ergibt sich auch nicht aus einer Verletzung der Sicherungspflichten bezüglich der Einrichtung des Internetanschlusses. Da die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Verletzung selbst begangen, schließt das eine Begehung durch Dritte unter widerrechtlicher Nutzung des Anschlusses des Beklagten aus. Im Übrigen lässt sich heute nicht mehr feststellen, ob ein Dritter die Urheberrechtsverletzung begangen hat. Dies ist allerdings Voraussetzung für die Annahme einer Störerhaftung.“

Auch soweit leider nichts wirklich Freifunk-Spezifisches, die Argumentation könnte auch bei einem (möglicherweise nicht hinreichend) gesicherten WLAN greifen. Trotzdem ist es spannend, denn es würde die Klägerin zwingen, hilfsweise vorzutragen, dass ein Dritter über den Internetanschluss die Tat begangen hat. Mir ist der konkrete Vortrag im Verfahren nicht bekannt, so dass ich das nicht beurteilen kann. Die Ausführungen des AG Hannover deuten aber darauf hin, dass auch die Klägerin nicht auf die Spezifika des vorliegenden Falls eingegangen ist, der sich durch den Freifunk-Knoten stark von typischen Fällen unterscheidet und – wie das AG Hannover zeigt – eine besondere Argumentation seitens der Klägerin erforderlich gemacht hätte.

Ich bin gespannt, ob die Klägerin in die Berufung geht (Hinweise gerne an mich in den Kommentaren, per Mail oder Kontakt-Formular) und wie das Landgericht Hannover in diesem Fall entscheiden würde.

Jedenfalls reiht sich die Entscheidung des AG Hannover nahtlos ein. LG Berlin, AG Charlottenburg und (wohl auch) das LG München I (s. auch hier) sehen Freifunker ebenfalls nicht in der Haftung.

(Crosspost von Offene Netze und Recht)

Freies WLAN überall: Störerhaftung im Bundestag, beim EuGH und in der Debatte um die EU Digital Single Market Verordnung

Mittwoch, 16. Dezember 2015

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EuGH by Cédric Puisney / CC-BY 2.0; Europaparlament: Christoph Radtke & Paul-Löbe-Haus: Ansgar Koreng / CC BY-SA 3.0 (DE)

Kurz vor Ende des Jahres und kurz nach der ersten Beratung im Bundestag am 4.12.2015 wurde der Entwurf zur Novellierung der WLAN-Störerhaftung (und der Host-Providerhaftung) im Telemediengesetz in die Ausschüsse überwiesen. Heute findet die erste öffentliche Anhörung zum Entwurf zur Änderung des Telemediengesetzes im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie statt. Eine bunte Liste von Gästen wurde geladen. Die Stellungnahmen der Gäste der Anhörung gibt es hier (kleiner Tipp: Die Stellungnahme der hotsplots GmbH ist süß). Die Sitzung findet zwar schon um 11 Uhr statt, wird aber erst ab 17:30 im linearen Palamentsfernsehen auf bundestag.de übertragen.

Schon seit der letzen Woche beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof höchstrichterlich mit der Frage, ob Betreiber eines offenen WLAN-Hotspots für Rechtsverstöße anderer Nutzerinnen und Nutzer haften müssen oder nicht. In einer Klage des Freifunkers und Piraten Tobias McFadden gegen die Sony, soll geklärt werden ob er dafür haftet, weil jemand über das offene (und nicht VPN-geschützte) Funknetzwerk von McFaddens Büro illegal ein Song heruntergeladen worden sei. Mehr zu dem Fall auch drüben bei heise.de.

Aktuell ist das Thema freies WLAN auch auf einer anderen europäischen Ebene in der Debatte. So sieht der Kultur Ausschuss des europäischen Parlaments im Rahmen einer Stellungnahme zur Digital Single Market Verordnung „WLAN als Kulturgut“ an. Dort heißt es in einem kürzlich im Ausschuss verabschiedeten Bericht: The European Parliament „calls for the promotion of public WLAN networks in both large and small municipalities, as this approach provides an indispensable infrastructure for their future operation in the interests of social and cultural integration, modern educational and information processes, and tourism and the regional cultural economy“.

Läuft.

Fauler Kompromiss beim WLAN-Gesetz: Bundestag muss WLAN-Störerhaftung endlich ganz abschaffen

Donnerstag, 03. Dezember 2015

Der gemeinnützige Förderverein freie Netzwerke e.V., Freifunk Gründungsverein und einer der Trägervereine des dezentralen Projekts freifunk.net mit aktuell über 25.500 privaten WLAN-Internet-Zugangspunkten in über 225 Orten in Deutschland, kritisiert den heute in den Bundestag (Tagesordnungspunkt 21, kürzlich auf als Rede zu Protokoll geändert) eingebrachten Gesetzesentwurf zur Neuregelung der WLAN-Störerhaftung scharf und fordert die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dazu auf, den Entwurf im parlamentarischen Prozess grundlegend zu überarbeiten sowie die weltweit einzigartige WLAN-Störerhaftung in Deutschland endlich gänzlich abzuschaffen.

In Bezug auf die heutige erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetze (TMG) im Bundestag stellt Christian Heise, Vorstandsmitglied des Fördervereins freie Netzwerke e.V. fest: „Das aktuelle Gesetz würde ganz klar zum Gegenteil vom im Koalitionsvertrag angekündigten Ausbau von offenen WLANs und der Schaffung von Rechtssicherheit für Funknetzwerke führen und Deutschland bei der Digialisierung weiter ausbremsen“.

Der Kabinettsentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes ist aufgrund der vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen beim Betrieb offener Funknetze nicht nur praktisch unbrauchbar, sondern auch mit dem Europarecht unvereinbar. Dies hat die EU-Kommission als Ergebnis eines Notifizierungsverfahrens unmissverständlich festgestellt. Dabei liegen Vorschläge für eine praktikable und zugleich europarechtskonforme Lösung seit Langem auf dem Tisch. So hatte der Digitale Gesellschaft e.V. bereits im Jahr 2012 einen konkreten Gesetzentwurf zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung vorgestellt, welcher die Unzulänglichkeiten des jetzigen Kabinettsentwurfs vermeidet.

Darüber hinaus hat „das Gesetz in seiner aktuellen Form sowohl keinen Einfluss auf die Verfolgung und Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen als auch keinen auf die IT-Sicherheit. Stattdessen einen negativen Einfluss auf die Möglichkeiten der Strafverfolgung bei einem maximal positiven Effekt auf das Geschäft von (Abmahn-)Anwälten und schafft weitere rechtliche Risiken“, so Heise. Diese Feststellung teilen die Europäische Kommission sowie die Verbraucherschützer aber auch die Bundesländer, die sich Anfang November 2015 im Bundesrat ebenfalls in einem Gegenentwurf zum Gesetz klar und eindeutig für die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung ausgesprochen haben.

Der Förderverein freie Netzwerke e.V. hat seit 2014 in unterschiedlichen, öffentlichen Stellungnahmen, Briefen und Gesprächen immer wieder versucht, positiv auf die Entwicklung des TMG-Entwurfs einzuwirken. Während sich seit dem ersten Entwurf des Gesetzes die Europäische Kommission und der Bundesrat sowie ein Großteil der 30 Stellungnahmen ans federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Gesetzentwurf unserer Argumentation vollends angeschlossen haben, wurden die Argumente von der Bundesregierung und vom SPD-geführten Ministerium bisher nicht ansatzweise berücksichtigt. Die geplante Rechtslage und der Entwurf behindern dabei nicht nur unsere Aktivitäten im Rahmen der digitalen Flüchtlingshilfe oder beim Ausbau von digitaler Infrastruktur in Kultur- und Bildungseinrichtungen, sondern behindern den Breitbandausbau sowie eine flächendeckende Verfügbarkeit von Internet in Deutschland generell. Darüber hinaus ist im Zuge des vorgeschlagenen Gesetzes mit massiven Kosten und Mehraufwänden für die Betreiber von Internetzugangspunkten zu rechnen.

„Die Bundesregierung hat sich mit dem heute zu Beratung im Bundestag eingebrachten Gesetz leider erneut zu ungunsten der Gesamtgesellschaft und der Gestaltung der Digitalisierung in Deutschland entschieden“, fasst Heise die bisherige Entwicklung um die Novellierung des TMGs ernüchtert zusammen. „Wir hoffen“, so Heise weiter, „dass der Gesetzesentwurf in der heute beginnenden parlamentarischen Debatte im Bundestag nun endlich grundlegend überarbeitet wird, damit auch in Deutschland zukünftig nicht weniger, sondern mehr Menschen barrierefrei und ohne rechtliche Risiken digital kommunizieren können“.

Update 17:10: netzpolitik.org hat das interne Schreiben der EU-Kommission an die Bundesregierung, in dem die EU-Kommission das Gesetz kritisiert und auf mögliche Grundrechtsverletzungen hinweist, veröffentlicht.