Mit ‘TMG’ getaggte Artikel

EuGH-Urteil: Keine Störerhaftung mehr bei offenen WLANs (Pressemitteilung)

Donnerstag, 15. September 2016

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute mit seinem Urteil zu öffentlichen Netzwerken unterstrichen, dass man für Urheberrechtsverletzungen nicht haftet, die von Gästen im Netzwerk begangen werden.

In seiner Entscheidung verweist der Gerichtshof auf die nationalen Gesetzgeber. Sie sollen nun regeln, ob man sein Netzwerk zum Schutz vor Urheberrechtsverletzungen verschlüsseln muss. Der Förderverein freie Netzwerke (Freifunk) fordert deshalb den Deutschen Bundestag auf, sich gegen eine Verschlüsselungspflicht einzusetzen. Sie ist nicht nur untauglich, sondern steht dem Ziel klar entgegen, mehr offene Netze für alle anzubieten. Auch um eine neue Welle von automatisiert erwirkten Gerichtsbeschlüssen gegen Betreiber offener Netze schon im Vorfeld zu unterbinden, muss der Gesetzgeber jetzt tätig werden.

Richtig und erfreulich ist die klare Feststellung des Gerichts, dass wir nicht haften, wenn wir unser Netzwerk mit Freunden und Fremden teilen. Weltfremd aber ist die Annahme, dass die Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing in einem solchen Ausmaß stattfinden, dass die Rechte auf Informationsfreiheit und Kommunikationsfreiheit für alle Menschen empfindlich eingeschränkt werden müssten. Der Gerichtshof sitzt der jahrelangen destruktiven Argumentation der Content-Industrie auf, dass offene Netze in erster Linie zugunsten der Urheberverwertungsindustrie reglementiert werden müssten. Die Realität der Freifunk-Anbieter und -Nutzer aber ist in Wahrheit: Ehrenamtliche Communities vermitteln Netz, Wissen und Zugang ohne kommerzielle Hintergründe, müssen sich aber permanent mit den jahrzehntealten Forderungen der Konzerne auseinandersetzen.

Es ist eben gerade nicht so, wie die Abmahnanwälte mit viel Krawall und teuren Abmahnungen glauben lassen wollen, dass das freie Netz ein fundamentales Problem wäre, sondern es ist die Voraussetzung für eine lebenswerte digitale Welt. Und die Abmahnungen treffen ohnehin in den meisten Fällen die Falschen.

Forderungen an den Gesetzgeber: Tätig werden gegen die Rechtsunsicherheit bezüglich Verschlüsselung!

Die Abmahnkanzleien werden nun weiter versuchen, freien Netzen den Kampf anzusagen und rechtswidrig Geld von Betreibern offener WLans zu erpressen.

Der EuGH deutet zwar „nur“ an, dass es sinnvoll und hilfreich sein kann, nach festgestellten Rechtsverletzungen das jeweilige Netz mit einem Passwort zu schützen und die Identität der jeweiligen Nutzer vorher festzustellen. Aber das widerspricht fundamental den Freifunk-Prinzipien. Wir wollen keine Zwangsidentifizierung und mehr Pseudo-Schutz durch Passwörter, wir wollen stattdessen freie Netze anbieten.

Hierbei handelt es sich aber um eine Steilvorlage für all diejenigen, die das Sammeln von personenbezogenen Daten – aus welchen Gründen auch immer – für eine gute Idee halten. Der Verweis auf dieses EuGH-Urteil wird wohl bei Sicherheitsfanatikern bald zum guten Ton gehören.

Forderung nach Pflicht-Verschlüsselung ist unsinnig und gehört verhindert

Neben dieser rechtspolitischen Wirkung stellt sich aber ganz konkret die Frage der Umsetzbarkeit des Urteils, wenn der Gesetzgeber nicht tätig wird. Wie verifiziert denn der Anschlussinhaber die Identität der Nutzer? Bekommen wir es mit einem neuen Geschäftsmodell von „unabhängigen Dritten“ zu tun, die sich zwischen Netzanbieter und Netznutzer setzen, die Identitäten verifizieren und das Ein- und Ausloggen protokollieren sollen? Und was wird noch alles geloggt, wenn mehrere Nutzer zur selben Zeit im Netz sind?

„Das Ergebnis ist leider nur ein Teilerfolg. Es bleibt weiterhin überfällig, die W-Lan-Störerhaftung in Deutschland endlich gänzlich und ohne Einschränkungen abzuschaffen“, kommentiert Christian Heise, Vorstandsmitglied des Förderverein Freie Netzwerke e. V. die Entscheidung.

Hier droht mehr Schaden als Nutzen, wenn man mal von Partikularinteressen einer kleinen Branche absieht und den Blick auf die Zukunft einer digitalisierten Welt richtet. Deswegen fordern wir den Gesetzgeber auf, einer Pflicht-Verschlüsselung eine deutliche Absage zu erteilen.

Links:
[1] http://curia.europa.eu/juris…

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Pressekontakt:
Christian Heise

Christian Heise ist Dozent im Studiengang Digitale Medien an der Leuphana-Universität, Manager beim Google DNI Innovation Fund und promoviert zum Thema Open Science am Centre for Digital Cultures (CDC). Als ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Open Knowledge Foundation Deutschland e. V. und beim Förderverein Freie Netze e. V. setzt er sich für die Öffnung von Wissen und IT-Infrastrukturen ein.

Kontakt für Rückfragen: Telefon +49 (0)30 53014673
E-Mail: mail@foerderverein.freie-netzwerke.de

Fast 2 Jahre später: Union gibt Widerstand gegen Abschaffung der WLAN-Störerhaftung (anscheinend) auf

Freitag, 06. Mai 2016

Im Laufe der Woche wurde bekannt, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel das Streitthema WLAN-Gesetz vom Tisch haben will. Klingt erstmal erfreulich, oder? Hier der Crosspost vom Blog des Digitale Gesellschaft e.V. mit dem wir gemeinsam seit über 2 Jahren an der Abschaffung der WLAN-Störerhaftung arbeiten:

„Die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung ist lange überfällig. Wir begrüßen daher die Entscheidung der Union, den Widerstand gegen die Öffnung der Netze aufzugeben. Schade ist, dass es dazu erst eines Machtworts der Kanzlerin und einer Belehrung durch den Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof bedurfte. Schon seit 2014 liegt dem Bundestag ein Oppositionsentwurf zur bedingungslosen Abschaffung der Störerhaftung vor. Dieser muss nun schnellstens verabschiedet werden, damit Deutschland endlich Anschluss an den international längst üblichen Standard bei offenen Netzzugängen findet.“, erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Wie Bild.de gestern berichtete, will die Unionsfraktion im Bundestag offenbar ihren Widerstand gegen die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung aufgeben. Kanzlerin Merkel soll ein Machtwort gesprochen haben, um das Thema noch in diesem Monat vom Tisch zu bekommen. Bislang bestand insbesondere die CDU/CSU-Fraktion auf Passwortsicherung und Vorschaltseite als gesetzliche Bedingungen für die Befreiung eines WLAN-Betreibers von der Störerhaftung. Nachdem der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) solche Einschränkungen als unvereinbar mit dem EU-Recht bewertet hatte, distanzierten sich Mitte April bereits Innen-, Wirtschafts- und Justizministerium von dem Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Zweimal wurde in den vergangenen Jahren schon versucht, die WLAN-Störerhaftung durch eine Änderung des Telemediengesetzes abzuschaffen, bislang ohne Erfolg. Die dazu 2012 von der Linken und 2014 gemeinsam von Linken und Grünen in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe beruhten jeweils auf einer Vorlage des Digitale Gesellschaft e.V. aus dem Jahr 2012. WLAN-Betreiber, die ihren Zugang für die Allgemeinheit öffnen, werden danach bedingungslos von der Haftung für Rechtsverstöße durch Nutzerinnen und Nutzer freigestellt. Damit entspricht der Entwurf den Vorgaben, welche der Generalanwalt beim EuGH Mitte März in seinem Schlussantrag gemacht hatte. Während der 2012 eingebrachte Entwurf an den Stimmen von Union und FDP scheiterte, wurde der Entwurf von 2014 bisher nur in den Ausschüssen abgelehnt. Im Plenum hingegen wurde er noch nicht abschließend beraten. Um die WLAN-Störerhaftung nun schnellstmöglich abzuschaffen, braucht der Bundestag lediglich den vorliegenden Oppositionsentwurf zu verabschieden. Nicht zuletzt angesichts des Machtworts der Kanzlerin stünde es den Regierungsfraktionen gut zu Gesicht, hier einmal über ihren parteipolitischen Schatten zu springen.

Outtake: Digitalpolitik in Deutschland kann so traurig & peinlich sein.

Auch am Europäische Gerichtshof ist man gegen die WLAN-Störerhaftung

Mittwoch, 16. März 2016

In der heutigen Sitzung des Europäischen Gerichtshofs hat sich der Generalanwalt klar gegen die WLAN-Störerhaftung und gegen den Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telemediengesetzes ausgesprochen und die Abschaffung der Störerhaftung für WLANs ohne alle Hürden wie Vorschaltseite oder Passwort gefordert. Die Bundesregierung muss jetzt endlich handeln und wie von uns und anderen gefordert die WLAN-Störerhaftung ausnahmslos und ohne Hürden abschaffen.

Der Digitale Gesellschaft e.V. fasst das vorläufige Ergebnis wie folgt zusammen:

„Mit seinem Schlussantrag hat der Generalanwalt heute eine wichtige Weichenstellung für mehr offene Funknetze in Deutschland und Europa vorgenommen. Die Große Koalition hat bei dieser Gestaltungsaufgabe bislang leider kläglich versagt. Wir hoffen daher, dass der Europäische Gerichtshof nun für Rechtssicherheit beim Betrieb offener WLANs sorgen wird. Die Hürden für eine flächendeckende Bereitstellung drahtloser Netzzugänge müssen endlich fallen.“, erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Heute hat der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Maciej Szpunar, sein lang erwartetes Schlussplädoyer in dem Verfahren des bayrischen Veranstaltungstechnikers und Freifunkers Tobias McFadden verkündet. Ein Nutzer hatte über ein von McFadden betriebenes offenes Funknetz eine urheberrechtlich geschützte Musikdatei per Filesharing getauscht. Daraufhin war McFadden von dem Rechteinhaber, einem Musikunternehmen, als sogenannter Störer kostenpflichtig abgemahnt worden. Das Landgericht München I, vor dem sich McFadden gegen die Abmahnung zur Wehr gesetzt hatte, legte die Sache schließlich dem EuGH vor. Das Münchener Gericht will erfahren, ob das deutsche Rechtsinstitut der sogenannten „WLAN-Störerhaftung“, das zurzeit maßgeblich auf Vorgaben des Bundesgerichtshofs beruht, mit dem Europarecht vereinbar ist. Der Generalanwalt hat die Aufgabe eines Gerichtsgutachters, der in seinem Schlussantrag den Verfahrensverlauf zusammenfasst und einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet. Der EuGH ist an diesen Vorschlag zwar nicht formal gebunden, folgt ihm aber in den meisten Fällen.

Das Votum des Generalanwalts macht zunächst deutlich, dass die E-Commerce-Richtlinie auch private, nicht gewerbliche Betreiber von drahtlosen Internetzugängen von der Haftung für Rechtsverletzungen durch Nutzerinnen und Nutzer freistellt. Für solche Betreiber ist es nach Ansicht von Szpunar zudem nicht zumutbar, ihren Zugang mit einem Passwort zu sichern, zu verschlüsseln oder den Datenverkehr zu überwachen. Damit gerät nun auch die Große Koalition unter Druck, deren bisheriger Gesetzentwurf zur Reform der WLAN-Störerhaftung klar im Widerspruch zum Schlussantrag des Generalanwalts steht.

Die Piratenpartei Deutschland und der Kläger Tobias McFadden (Mitglied der Piraten) fassen das vorläufige Ergebnis in einer Pressemitteilung wie folgt zusammen:

In dem Rechtsstreit um die Zulässigkeit offener und unverschlüsselter WLAN-Hotspots hat der klagende PIRAT Tobias McFadden einen wichtigen Zwischenerfolg errungen: Das vom Bundesgerichtshof (BGH) angeordnete Verbot offener und unverschlüsselter WLAN-Hotspots, das die Bundesregierung gesetzlich festschreiben will, ist nach Auffassung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof unzulässig.

Zwar könne ein WLAN-Anbieter durch eine gerichtliche Anordnung verpflichtet werden, eine konkrete Rechtsverletzung zu verhindern, doch könne weder die Stilllegung des Internetanschlusses noch seine Sicherung durch ein Passwort oder die allgemeine Überwachung der Kommunikation verlangt werden. Auch eine Identifizierungspflicht für WLAN-Nutzer und eine anlasslose Vorratsspeicherung von IP-Adressen sei unverhältnismäßig und ineffektiv.

Tobias McFadden zur Auffassung des Generalanwalts: »Das ist ein Sieg für uns PIRATEN auf voller Linie. Folgt der Gerichtshof dem Generalanwalt, sind die WLAN-Störerhaftung und der Gesetzentwurf der Bundesregierung tot. Die Bundesregierung muss jetzt ihren fortschrittsfeindlichen Gesetzentwurf zurückziehen und wie in anderen zivilisierten Ländern das freie Angebot offener WLAN-Hotspots sicherstellen!«

Der Datenschutzexperte der Piratenpartei Patrick Breyer kommentiert: »Die von der Content-Mafia geprägte Rechtsprechung der deutschen Gerichte ist von vorn bis hinten europarechtswidrig, darunter Präventivpflichten ohne behördliche oder gerichtliche Anordnung, Unterlassungsverurteilungen ohne Nennung verhältnismäßiger Umsetzungsmöglichkeiten, Verurteilungen zur Kostentragung, zur WLAN-Verschlüsselung oder gar zur Identifizierung oder Vorratsdatenspeicherung der Nutzer. All dem muss die Bundesregierung
jetzt ein Ende setzen – im Sinne des freien digitalen Informations- und Meinungsaustauschs im 21. Jahrhundert.«

Fauler Kompromiss beim WLAN-Gesetz: Bundestag muss WLAN-Störerhaftung endlich ganz abschaffen

Donnerstag, 03. Dezember 2015

Der gemeinnützige Förderverein freie Netzwerke e.V., Freifunk Gründungsverein und einer der Trägervereine des dezentralen Projekts freifunk.net mit aktuell über 25.500 privaten WLAN-Internet-Zugangspunkten in über 225 Orten in Deutschland, kritisiert den heute in den Bundestag (Tagesordnungspunkt 21, kürzlich auf als Rede zu Protokoll geändert) eingebrachten Gesetzesentwurf zur Neuregelung der WLAN-Störerhaftung scharf und fordert die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dazu auf, den Entwurf im parlamentarischen Prozess grundlegend zu überarbeiten sowie die weltweit einzigartige WLAN-Störerhaftung in Deutschland endlich gänzlich abzuschaffen.

In Bezug auf die heutige erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetze (TMG) im Bundestag stellt Christian Heise, Vorstandsmitglied des Fördervereins freie Netzwerke e.V. fest: „Das aktuelle Gesetz würde ganz klar zum Gegenteil vom im Koalitionsvertrag angekündigten Ausbau von offenen WLANs und der Schaffung von Rechtssicherheit für Funknetzwerke führen und Deutschland bei der Digialisierung weiter ausbremsen“.

Der Kabinettsentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes ist aufgrund der vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen beim Betrieb offener Funknetze nicht nur praktisch unbrauchbar, sondern auch mit dem Europarecht unvereinbar. Dies hat die EU-Kommission als Ergebnis eines Notifizierungsverfahrens unmissverständlich festgestellt. Dabei liegen Vorschläge für eine praktikable und zugleich europarechtskonforme Lösung seit Langem auf dem Tisch. So hatte der Digitale Gesellschaft e.V. bereits im Jahr 2012 einen konkreten Gesetzentwurf zur Abschaffung der WLAN-Störerhaftung vorgestellt, welcher die Unzulänglichkeiten des jetzigen Kabinettsentwurfs vermeidet.

Darüber hinaus hat „das Gesetz in seiner aktuellen Form sowohl keinen Einfluss auf die Verfolgung und Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen als auch keinen auf die IT-Sicherheit. Stattdessen einen negativen Einfluss auf die Möglichkeiten der Strafverfolgung bei einem maximal positiven Effekt auf das Geschäft von (Abmahn-)Anwälten und schafft weitere rechtliche Risiken“, so Heise. Diese Feststellung teilen die Europäische Kommission sowie die Verbraucherschützer aber auch die Bundesländer, die sich Anfang November 2015 im Bundesrat ebenfalls in einem Gegenentwurf zum Gesetz klar und eindeutig für die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung ausgesprochen haben.

Der Förderverein freie Netzwerke e.V. hat seit 2014 in unterschiedlichen, öffentlichen Stellungnahmen, Briefen und Gesprächen immer wieder versucht, positiv auf die Entwicklung des TMG-Entwurfs einzuwirken. Während sich seit dem ersten Entwurf des Gesetzes die Europäische Kommission und der Bundesrat sowie ein Großteil der 30 Stellungnahmen ans federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Gesetzentwurf unserer Argumentation vollends angeschlossen haben, wurden die Argumente von der Bundesregierung und vom SPD-geführten Ministerium bisher nicht ansatzweise berücksichtigt. Die geplante Rechtslage und der Entwurf behindern dabei nicht nur unsere Aktivitäten im Rahmen der digitalen Flüchtlingshilfe oder beim Ausbau von digitaler Infrastruktur in Kultur- und Bildungseinrichtungen, sondern behindern den Breitbandausbau sowie eine flächendeckende Verfügbarkeit von Internet in Deutschland generell. Darüber hinaus ist im Zuge des vorgeschlagenen Gesetzes mit massiven Kosten und Mehraufwänden für die Betreiber von Internetzugangspunkten zu rechnen.

„Die Bundesregierung hat sich mit dem heute zu Beratung im Bundestag eingebrachten Gesetz leider erneut zu ungunsten der Gesamtgesellschaft und der Gestaltung der Digitalisierung in Deutschland entschieden“, fasst Heise die bisherige Entwicklung um die Novellierung des TMGs ernüchtert zusammen. „Wir hoffen“, so Heise weiter, „dass der Gesetzesentwurf in der heute beginnenden parlamentarischen Debatte im Bundestag nun endlich grundlegend überarbeitet wird, damit auch in Deutschland zukünftig nicht weniger, sondern mehr Menschen barrierefrei und ohne rechtliche Risiken digital kommunizieren können“.

Update 17:10: netzpolitik.org hat das interne Schreiben der EU-Kommission an die Bundesregierung, in dem die EU-Kommission das Gesetz kritisiert und auf mögliche Grundrechtsverletzungen hinweist, veröffentlicht.

Notizen zum Gespräch AK Urheberrecht (SPD) am 12.11.15 zum Telemediengesetzes (§ 8 TMG-E)

Donnerstag, 12. November 2015

Heute gab es in dem Arbeitskreis Urheberrecht der SPD (leider eine nicht-öffentliche Sitzung) einen Austausch von Initiativen/Verbänden mit Mitgliedern des Bundestags und des federführenden Bundeswirtschaftsministerium zum Thema Überarbeitung des Telemediengesetztes §8. Folgende Notizen habe ich dazu vorgetragen:

Vielen Dank für die Einladung. Seit August 2014 haben wir, Trägerverein des dezentralen Projekts freifunk.net mit aktuell über 23.500 privaten WLAN-Zugangspunkten in über 220 Orten und in über 200 Flüchtlingseinrichtungen in Deutschland, in unterschiedlichen Stellungnahmen [1] immer wieder versucht auf die Entwicklung des TMG-Entwurfs einzuwirken. Während sich die Europäische Kommission und der Bundesrat sowie ein Großteil der 30 Stellungnahmen ans BMWi zum Gesetzentwurf unserer Argumentation vollends anschließen, wurde diese Argumentation bisher von der Bundesregierung bzw. vom federführenden BMWi nicht ansatzweise erhört. Umso mehr freue ich mich heute ihnen dazu weitere Auskünfte aus der Praxis zu geben:

  1. Der aktuelle TMG-Entwurf insbesondere Paragraph 8 hilft den Urhebern in keinster Weise:
    • Die genannten Maßnahmen/Pflichten nicht ansatzweise als Handhabe gegenüber Urheberrechtsverletzungen in offenen WLANs geeignet, denn…
      • … es liegen ja keine Daten vor, die verwendet werden könnten um die Urheberrechtsverletzung zu verfolgen
      • … selbst bei einer Registrierung ist es weder technisch noch rechtlich möglich die Urheberrechtsverletzung auf einen Teilnehmer_in zu beziehen
      • … selbst durch die (unsägliche und anlasslose) VDS wird es nicht möglich sein, da diese Daten eben nicht erhoben werden können und dürfen und die VDS bei Urheberrechtsverletzungen nicht gilt
    • sollte es sich also um ein „Placebo“, eine Abschreckungsmaßnahme oder um einen Beitrag zur „Cyber Security“/Kontrolle (BMI) handeln, darf dieses nicht (wie bisher absehbar) negative Auswirkungen auf die Verbreitung von WLAN Zugängen haben
  2. Die aktuelle Situation bzw. das aktuelle TMG ist durch die bisherigen gerichtlichen Urteile als rechtssicherer und besser einzuschätzen als die, die wir hätten, wenn das TMG so kommt wie im Entwurf vorgesehen. Der Entwurf schafft also das Gegenteil von dem eigentlichen Ziel (Digitale Agenda und Koalitionsvertrag) Rechtssicherheit zu schaffen.
  3. Das Gesetz würde auch dazu führen, dass Anbieter wie die Deutsche Telekom oder Lancom mehr ihrer teuren Lösungen verkaufen können.
  4. Darüber hinaus ist das Gesetz (wie von uns seit August 2014 immer wieder dargestellt) nicht mit EU-Recht (E-Commerce Richtlinie) und der Digital Single Market Verordnung vereinbar.
  5. Schon der aktuelle Entwurf stellt uns vor Herausforderungen u.a. bei der Vernetzung von Flüchtlingsheimen (Ablehnung mit Verweisen von Betreibern auf die zukünftig unklare Rechtslage) und in der täglichen Arbeit (Beispiel Gütersloh, wo die Stadt für zigtausend Euro ein zweifelhaftes Gutachten erstellt hat um die unklare Rechtslage bzgl. des TMG-Entwurfs zu evaluieren – siehe dazu auch http://www.offenenetze.de/tag/guetersloh/)

Man kann also festhalten, dass der TMG-Entwurf in seiner aktuellen Form der Gesamtgesellschaft eher schadet (bzgl. WLAN-Verbreitung) und bei auch bei der Verfolgung von Urheberverletzungen nicht hilft. Er hilft nur den Anwaltskanzleien, die Geld daran verdienen die neue Rechtlage an Gerichten zu klären oder weiter wild abzumahnen <- das kann nicht im Interesse des Gesetzgebers sein.

Zusammenfassung: Das Gesetz in seiner aktuellen Entwurfsform hat also keinen Einfluss auf die Verfolgung und Vermeidung von Urheberrechtsverletzungen, sogar einen negativen Einfluss auf die Möglichkeiten der Strafverfolgung, keinen Einfluss auf die IT-Sicherheit bei einem maximal positiven Einfluss auf das Geschäft von Anwälten und maximaler Rechtsunsicherheit. In allen weiteren Punkten schließen wir uns der Stellungnahme von Herrn Buermeyer an und möchten daher weiterhin dafür werben, die Störerhaftung bei Funknetzwerken endlich abzuschaffen!

[1] Siehe u.a.: http://freifunkstattangst.de/2014/08/13/stellungnahme-zum-geplanten-gesetz-zur-neuregelung-der-stoererhaftung/ & http://freifunkstattangst.de/2015/07/06/ngos-appellieren-an-eu-kommission-wlan-stoererhaftung-verhindern & http://freifunkstattangst.de/2015/09/24/freifunker-und-digitale-gesellschaft-starten-kampagne-zur-wlan-stoererhaftung/ & http://freifunkstattangst.de/2015/03/05/tmg-gesetzesentwurf-wuerde-zu-mehr-rechtsunsicherheit-und-negativen-effekt-auf-die-verbreitung-von-funknetzwerken-fuehren/ & http://freifunkstattangst.de/2015/01/22/erneute-stellungnahme-zur-stoererhaftung-an-bmwi-bmi-bmj-und-bmvi/

WLAN-Störerhaftung: Weitere Stellungnahme zur Überarbeitung des Telemediengesetzes an die Europäische Kommission

Freitag, 04. September 2015

Prof. Dr. Thomas Hoeren vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) an der Universität Münster hat gestern ebenfalls eine Stellungnahme an die Europäische Kommission geschickt. Der von vielen Seiten stark kritisierte Entwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der WLAN-Störerhaftung wird im Moment (vo­r­aus­sicht­lich bis 16.9) von der Europäische Kommission auf EU-Verträglichkeit geprüft. Zitat:

Dabei muss jedoch konstatiert werden, dass der Referentenentwurf nicht nur ungeeignet ist, das gesteckte Ziel zu erreichen, sondern sogar den gegenteiligen Effekt haben und zu einem Rückgang von öffentlichem WLAN – oder drastischer formuliert: zu einem WLAN-Sterben führen wird.

Die lesenswerte Stellungnahme kann hier heruntergeladen werden (PDF).

 

 

LG Berlin: Dritter Erfolg vor Gericht für Freifunk?

Dienstag, 25. August 2015

Das LG Berlin hat am 30.6.2015 ein Urteil in einem Verfahren gesprochen, in dem es um die Haftung eines Freifunkers für seinen WLAN-Knoten ging (LG Berlin, Urt. v. 30.6.2015 – 15 0 558/14 – Volltext).

Grundlage des Rechtsstreits war die negative Feststellungsklage eines Freifunkers, der zuvor wegen des angeblichen Angebots des Downloads eines Films abgemahnt worden war. Anders als bei „typischen“ Filesharing-Fällen war also der Inhaber der WLAN-Anschlusses hier Kläger und der Rechteinhaber Beklagter.

Ähnliche Konstellationen haben schon das AG Berlin-Charlottenburg und das LG München I beschäftigt. Diese beiden Verfahren dürften als Erfolg (AG Charlottenburg) bzw. „Sieg nach Punkten“ (LG München I) für die Freifunk-Community zu betrachten sein: Das AG Charlottenburg hatte zu Gunsten des Freifunkers die Privilegierung des § 8 TMG angenommen und dementsprechend die Klage zugesprochen. Das LG München I auf der anderen Seite hat genau die Frage der Anwendbarkeit von § 8 TMG dem EuGH zur Prüfung vorgelegt (näher dazu hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2015, 85). Andererseits hat das LG München I aber zu erkennen gegeben, dass es dazu tendiert, ebenso wie das AG Charlottenburg die Privilegierung des § 8 TMG anzunehmen.

Nun hatte das  LG Berlin also Freifunk-Fall Nr. 3 vorliegen, die Entscheidung war (nachdem das Verfahren zunächst vom Amtsgericht an das Landgericht verwiesen worden war) lange erwartet worden. Bereits in der mündlichen Verhandlung sah es nach einem dritten Erfolg für Freifunk aus. So kam es dann auch: Der Freifunker hatte mit der negativen Feststellungsklage Erfolg!

… es kommt häufig ein Aber und hier ist es:

Das LG Berlin hat sich mit den für die Freifunk-Community relevanten Fragen leider praktisch gar nicht befasst bzw. befassen müssen. Es ist nämlich schon vorher an einer anderen Stelle abgebogen und hat deshalb insbesondere § 8 TMG überhaupt nicht mehr geprüft bzw. prüfen müssen. Der Anspruch des Abmahnenden ist nämlich schon daran gescheitert, dass das LG Berlin es nicht als hinreichend dargelegt und erwiesen angesehen hat, dass überhaupt die IP-Adresse, die zu dem Anschluss des Freifunkers geführt hat, korrekt und zuverlässig ermittelt worden ist.

Das Urteil des LG Berlin ist für diese konkrete Frage, nämlich die Ermittlung der IP-Adresse lesenswert und spannend. Denn diese Frage ist tatsächlich bei der Bewertung von Filesharing-Fällen hochrelevant. Auch der BGH hat sich kürzlich mit der Problematik befasst allerdings liegen die Gründe noch nicht vor (BGH, Urt. v. 11.6.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III, Pressemitteilung). Das LG Berlin ist jetzt bei dieser Frage jedenfalls – als nach meinem Wissen erstes Gericht – mit einer sehr strengen Auffassung in Erscheinung getreten.

Für das, was Freifunkern auf dem Herzen liegt, enthält das Urteil aber dementsprechend (leider) keine neuen Erkenntnisse.

Von daher:

  • Erfolg für den Einzelfall und damit für Freifunk insgesamt?  – Ja.
  • Erfolg für die Zukunft bzw. eventuelle weitere Verfahren? – Eher nein.

 

(Crosspost von Offene Netze und Recht)