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Auch am Europäische Gerichtshof ist man gegen die WLAN-Störerhaftung

Mittwoch, 16. März 2016

In der heutigen Sitzung des Europäischen Gerichtshofs hat sich der Generalanwalt klar gegen die WLAN-Störerhaftung und gegen den Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Telemediengesetzes ausgesprochen und die Abschaffung der Störerhaftung für WLANs ohne alle Hürden wie Vorschaltseite oder Passwort gefordert. Die Bundesregierung muss jetzt endlich handeln und wie von uns und anderen gefordert die WLAN-Störerhaftung ausnahmslos und ohne Hürden abschaffen.

Der Digitale Gesellschaft e.V. fasst das vorläufige Ergebnis wie folgt zusammen:

„Mit seinem Schlussantrag hat der Generalanwalt heute eine wichtige Weichenstellung für mehr offene Funknetze in Deutschland und Europa vorgenommen. Die Große Koalition hat bei dieser Gestaltungsaufgabe bislang leider kläglich versagt. Wir hoffen daher, dass der Europäische Gerichtshof nun für Rechtssicherheit beim Betrieb offener WLANs sorgen wird. Die Hürden für eine flächendeckende Bereitstellung drahtloser Netzzugänge müssen endlich fallen.“, erklärt Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft.

Heute hat der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Maciej Szpunar, sein lang erwartetes Schlussplädoyer in dem Verfahren des bayrischen Veranstaltungstechnikers und Freifunkers Tobias McFadden verkündet. Ein Nutzer hatte über ein von McFadden betriebenes offenes Funknetz eine urheberrechtlich geschützte Musikdatei per Filesharing getauscht. Daraufhin war McFadden von dem Rechteinhaber, einem Musikunternehmen, als sogenannter Störer kostenpflichtig abgemahnt worden. Das Landgericht München I, vor dem sich McFadden gegen die Abmahnung zur Wehr gesetzt hatte, legte die Sache schließlich dem EuGH vor. Das Münchener Gericht will erfahren, ob das deutsche Rechtsinstitut der sogenannten „WLAN-Störerhaftung“, das zurzeit maßgeblich auf Vorgaben des Bundesgerichtshofs beruht, mit dem Europarecht vereinbar ist. Der Generalanwalt hat die Aufgabe eines Gerichtsgutachters, der in seinem Schlussantrag den Verfahrensverlauf zusammenfasst und einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet. Der EuGH ist an diesen Vorschlag zwar nicht formal gebunden, folgt ihm aber in den meisten Fällen.

Das Votum des Generalanwalts macht zunächst deutlich, dass die E-Commerce-Richtlinie auch private, nicht gewerbliche Betreiber von drahtlosen Internetzugängen von der Haftung für Rechtsverletzungen durch Nutzerinnen und Nutzer freistellt. Für solche Betreiber ist es nach Ansicht von Szpunar zudem nicht zumutbar, ihren Zugang mit einem Passwort zu sichern, zu verschlüsseln oder den Datenverkehr zu überwachen. Damit gerät nun auch die Große Koalition unter Druck, deren bisheriger Gesetzentwurf zur Reform der WLAN-Störerhaftung klar im Widerspruch zum Schlussantrag des Generalanwalts steht.

Die Piratenpartei Deutschland und der Kläger Tobias McFadden (Mitglied der Piraten) fassen das vorläufige Ergebnis in einer Pressemitteilung wie folgt zusammen:

In dem Rechtsstreit um die Zulässigkeit offener und unverschlüsselter WLAN-Hotspots hat der klagende PIRAT Tobias McFadden einen wichtigen Zwischenerfolg errungen: Das vom Bundesgerichtshof (BGH) angeordnete Verbot offener und unverschlüsselter WLAN-Hotspots, das die Bundesregierung gesetzlich festschreiben will, ist nach Auffassung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof unzulässig.

Zwar könne ein WLAN-Anbieter durch eine gerichtliche Anordnung verpflichtet werden, eine konkrete Rechtsverletzung zu verhindern, doch könne weder die Stilllegung des Internetanschlusses noch seine Sicherung durch ein Passwort oder die allgemeine Überwachung der Kommunikation verlangt werden. Auch eine Identifizierungspflicht für WLAN-Nutzer und eine anlasslose Vorratsspeicherung von IP-Adressen sei unverhältnismäßig und ineffektiv.

Tobias McFadden zur Auffassung des Generalanwalts: »Das ist ein Sieg für uns PIRATEN auf voller Linie. Folgt der Gerichtshof dem Generalanwalt, sind die WLAN-Störerhaftung und der Gesetzentwurf der Bundesregierung tot. Die Bundesregierung muss jetzt ihren fortschrittsfeindlichen Gesetzentwurf zurückziehen und wie in anderen zivilisierten Ländern das freie Angebot offener WLAN-Hotspots sicherstellen!«

Der Datenschutzexperte der Piratenpartei Patrick Breyer kommentiert: »Die von der Content-Mafia geprägte Rechtsprechung der deutschen Gerichte ist von vorn bis hinten europarechtswidrig, darunter Präventivpflichten ohne behördliche oder gerichtliche Anordnung, Unterlassungsverurteilungen ohne Nennung verhältnismäßiger Umsetzungsmöglichkeiten, Verurteilungen zur Kostentragung, zur WLAN-Verschlüsselung oder gar zur Identifizierung oder Vorratsdatenspeicherung der Nutzer. All dem muss die Bundesregierung
jetzt ein Ende setzen – im Sinne des freien digitalen Informations- und Meinungsaustauschs im 21. Jahrhundert.«

WLAN-Störerhaftung: Eine Vorschaltseite und die Rechtstreueerklärung sind keine Lösung

Dienstag, 26. Januar 2016

Seit 1,5 Jahren arbeiten SPD und CDU nun an einer Neuregelung der WLAN-Störerhaftung, die in ihrer aktuellen Form die Verbreitung von offenen und freien WLANs in Deutschland bisher massiv einschränkt. Nach dieser Gesetzeslage haftet ein Anschlussinhabers eines Internetzugangs, wenn andere über dessen Anschluss Rechtsverletzungen begehen (WLAN-Störerhaftung). In den kommenden Tagen finden die finalen Gespräche der beiden Regierungsparteien zur Überarbeitung dieser WLAN-Störerhaftung statt. Bis Mitte/Ende Februar soll dann das Gesetz im Bundestag endgültig verabschiedet werden.

Viele der Hürden aus dem ersten und zweiten Entwurf zur Überarbeitung des Gesetzes wurde mittlerweile aus dem Text gestrichen, das ist gut. Die letzte große Hürde ist allerdings die von der Union geplante und im Entwurf bereits verankerte Vorschaltseite (inklusive einer Rechtstreueerklärung). Warum diese Vorschaltseite bzw. die Rechtstreueerklärung weg muss, hat der Digitale Gesellschaft e.V. in folgenden Argumenten mit unserem Input zusammengetragen:

Juristische Argumente:

  • Der Entwurf legt nicht fest, in welcher Weise die Rechtstreueerklärung abgegeben/eingeholt werden muss. Dadurch wird eine neue Rechtsunsicherheit geschaffen, die das gesetzgeberische Ziel gefährdet.
  • Bedingungen wie eine Rechtstreueerklärung gehen am vereinbarten gesetzgeberischen Ziel vorbei, weil sie Zugangshürden auf- statt abbauen. Im Koalitionsvertrag heißt es auf Seite 35 zum Thema WLAN: „Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen.“ Offene Netze zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass es keine Zugangshürden gibt.
  • Wie schon die EU-Kommission in ihren Bemerkungen im Rahmen der TRIS-Notifizierung feststellte, verletzt eine Rechtstreueerklärung als Bedingung für die Haftungsprivilegierung die Grundrechte aus Art. 16 (Recht auf unternehmerische Freiheit) und Art. 11 (Meinungsfreiheit) EU-Grundrechtscharta. Die Maßnahme stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in diese Grundrechte dar, weil sie zur Erreichung des damit verfolgten Ziels (Verhinderung von Rechtsverletzungen) bereits evident ungeeignet ist.
  • Soweit der TMG-Entwurf mit der Rechtstreueerklärung auf das Einrichten einer Vorschaltseite abzielt, widerspricht er der bisherigen Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 3 TMG. Eine Vorschaltseite würde stets mit einer Manipulation des Datenverkehrs einhergehen. § 8 Abs. 1 Nr. 3 TMG verlangt als Voraussetzung für die Haftungsfreistellung aber gerade, dass der Diensteanbieter die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben darf. Da § 8 Abs. 1 Nr. 3 TMG eine Umsetzung der zwingenden Vorgabe aus Art. 12 E-Commerce-Richtlinie darstellt, kann die Vorschrift auch nicht angepasst oder angeglichen werden, um den soeben aufgezeigten Widerspruch aufzulösen.
  • Da der Entwurf nicht zwischen Gewerbetreibenden und Privatleuten unterscheidet, wäre eine Vorschaltseite mit Rechtstreueerklärung auch dann erforderlich, wenn der Inhaber eines WLAN-Zugangs nur seiner Familie oder Freunden den Netzzugriff über seinen Zugang ermöglichen möchte. Tut er es nicht, müsste er damit rechnen, für Rechtsverletzungen durch Familie und Freunde abgemahnt zu werden.

Technische Argumente:

  • Handelsübliche Router erlauben in der Regel nicht das Einrichten einer Vorschaltseite. Gewerbetreibende und Privatleute, die anderen einen WLAN-Zugang zur Verfügung stellen wollen, wären damit in der Regel technisch überfordert oder müssten Geld für Fachleute aufwenden, die ihnen bei der Einrichtung einer Vorschaltseite helfen.
  • Häufig führt die Vorschaltseite zu Inkompatibilitäten auf mobilen Endgeräten und zur Verwirrung der Nutzer von allen nicht browsernutzenden Applikationen. Beispielsweise ist es mit einem iPhone häufig unmöglich, die Vorschaltseite von Anbietern wie der hotsplots GmbH zu „überwinden“. Der Netzzugang scheitert in diesen Fällen schlicht an der Existenz der Vorschaltseite
  • Eine Vorschaltseite greift aktiv in Benutzerkommunikation ein und verfälscht sie ggf.. Sie ist technisch nur für HTTP ohne Probleme realisierbar und _ohne_ verschlüsselte Kommunikation per „man-in-the-middle“ Attack durch dritte auszunutzen. Router mit Vorschaltseiten könnten somit einfach genutzt werden ohne Kenntnis des Nutzers Benutzerdaten abzufangen oder Fishingangebote aufzubauen

Argumente zu Effektivität und Akzeptanz:

  • Die digitale Entwicklung im Bereich mobiler Netzzugänge wird insbesondere durch umständliche Anmeldeprozeduren bei der WLAN-Nutzung gebremst. Laut einer Umfrage des Branchenverbands BITKOM hält mehr als ein Drittel (35%) der Nutzerinnen und Nutzer die Einwahl in öffentliche WLAN-Hotspots für zu kompliziert.
  • Wer in einer Rechtstreueerklärung ein wirksames Mittel zur „Nutzerdisziplinierung“ erblickt, muss auch die Altersabfrage bei Streamingportalen mit pornographischem Material für eine effektive Maßnahme des Jugendschutzes und das „Wegklicken“ von allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Social-Media-Plattformen für eine taugliche Vorkehrung des Verbraucherschutzes halten. Tatsächlich ist sie als Hürde für die Begehung von Rechtsverletzungen wirkungslos und würde auch nicht zur besseren Verfolgbarkeit eventueller Delikte beitragen.
  • Mehraufwand entsteht ausserdem durch Lokalisierung / Sprachen; und es resultieren daruas Probleme u.a für Internet of Things Geräte (wie sollen die sich verbinden?) sowie ggf. Probleme für Menschen mit Behinderung, wenn die Seite technisch schlecht umgesetzt wird (Kompatibilität mit Screenreader o.ä.)

Argumente zur Datengrundlage:

  • Die Befürworter einer Rechtstreueerklärung tragen eine Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Notwendigkeit einer solchen Erklärung. Sie sollten deshalb im Mindesten belastbare Zahlen zu den angeblichen Rechtsverletzungen über anonyme Netzzugänge beibringen. Dies gilt umso mehr, da bei den Modellversuchen mit offenen Hotspots von Kabel Deutschland/mabb oder Vodafone keinerlei Probleme mit Rechtsverletzungen durch Nutzerinnen und Nutzer festzustellen waren. Es liegen also sogar konkrete Indizien dafür vor, dass die Befürchtungen völlig unbegründet sind.
  • Den Bedenken gegen einen Anstieg von Rechtsverletzungen über anonyme Netzzugänge könnte sehr viel besser mit einer gesetzgeberischen Evaluation ohne Vorschaltseite nach Ablauf von 2 Jahren begegnet werden. Dies hätte den Vorteil, dass zunächst einmal Chancen für Wirtschaft und Zivilgesellschaft durch genuin offene Netzzugänge entstehen könnten und das Risiko von Rechtsverletzungen zugleich überschaubar und beherrschbar bliebe. Zudem würde diese Lösung dazu führen, dass neben den Erkenntnissen aus dem Modellversuch von Kabel Deutschland und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg endlich weitere konkrete Daten zur Frage von Rechtsverletzungen über offene WLAN-Zugänge vorlägen. Bisher gibt es lediglich um Befürchtungen, die einer belastbaren Faktengrundlage entbehren.
  • Das BMVI betreibt bereits seit März 2015 einen offenen Drahtloszugang zum Internet. Dort könnten sich auch und gerade die Befürworter der Rechtstreueerklärung gewissermaßen aus erster Hand einen Eindruck davon verschaffen, wie häufig es tatsächlich zu IP-Adressabfragen wegen Rechtsverletzungen über den offenen BMVI-Zugang gekommen ist.

Erfolg für Freifunk vor dem AG Charlottenburg – eine kurze Analyse

Samstag, 17. Januar 2015

(Crosspost von Offene Netze und Recht)

Wie hier schon berichtet, hat das Amtsgericht Charlottenburg am 17.12.2014 einen Kostenbeschluss nach § 269 Abs. 3 ZPO in einem Freifunk-Verfahren erlassen (AG Charlottenburg, Beschl. v. 17.12.2014 – 217 C 121/14). Es handelt sich hierbei nicht um ein Urteil, sondern nur eine Kostenentscheidung, aber das AG Charlottenburg hat deutlich gemacht, dass es – hätte es streitig entscheiden müssen – dem klagenden Freifunker recht gegeben hätte.

Grundlage des Rechtsstreits war die negative Feststellungsklage eines Freifunkers, der zuvor wegen des angeblichen Angebots des Downloads eines Films abgemahnt worden war. Anders als bei „typischen“ Filesharing-Fällen war also der Inhaber der WLAN-Anschlusses hier Kläger und der Rechteinhaber Beklagter. Das Amtsgericht hat sich inhaltlich intensiv mit der Frage der Haftung beim Betrieb eines Freifunk-Knotens befasst – und diese abgelehnt.

In Filesharing-Fällen gibt es normalerweise zwei verschiedene Anspruchsebenen: Die der Täter- oder Teilnehmerhaftung und die der Störerhaftung.

1. Keine Haftung als Täter oder Teilnehmer

Im ersten Komplex geht es häufig darum, ob der Anschlussinhaber im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast hinreichend vorgetragen hat, dass die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass Dritte den Anschluss genutzt haben (vgl. BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, MMR 2010, 565 – Sommer unseres Lebens; BGH, 15. 11. 2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 – Morpheus; BGH, 8. 1. 2014 – I ZR 169/12, GRUR 2014, 657 – BearShare).

Hierzu formuliert das AG Charlottenburg (Hervorhebungen hier):

Die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung begegnet beispielsweise in Haushalten, in denen mehrere Personen selbständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, bereits grundsätzlichen Bedenken. Die Aufstellung einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber seinen lnternetzugang in erster Linie nutzt und über Art und Weise der bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert nicht. Die alltägliche Erfahrung in einer Gesellschaft, in der das Internet einen immer größeren Anteil einnimmt und nicht mehr wegzudenken ist, belegt vielmehr das Gegenteil. Wenn sich der Internetanschluss in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, entspricht es vielmehr üblicher Lebenserfahrung, dass jeder Mitbewohner das Internet selbständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert (vgl. AG Düsseldorf, Urteil v Der Anschlussinhaber genügt daher in diesen Fällen seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass eine Hausgenossen selbständig auf den Internetanschluss zugreifen können, weil sich daraus bereits die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs als die seiner Alleintäterschaft ergibt (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 27.10.2011, I -22 W 82/11; OLG Hamm, Beschluss v. 04.11.2013, I – 22 W 60/13; OLG Köln NJW-RR 2012, 1327; AG Hamburg, Urteil v. 30.10.2013, 31 C 20/13; AG München, Urteil v. 31.10.2013, 155 C 9298/13). Es gehört vielmehr zu den rechtsstaatlichen

Grundsätzen des Zivilprozesses, dass der Anspruchsteller (hier die Beklagte) die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt. Abweichungen sind nur im Einzelfall veranlasst und dürfen nicht dazu führen, dass der Anspruchsgegner (hier der Kläger) sich regelmäßig zu entlasten hat (vgl. AG Düsseldorf, Urteil v. 19.11.2013, 57 C 3144/13). Eine anderslautende Rechtsprechung führt quasi zu einer Gefährdungshaftung indem dem Anschlussinhaber eine den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende praktisch nicht erfüllbare sekundäre Darlegungslast auferlegt wird. Darüber hinaus gibt es in zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens Sachverhaltskonstellationen, in denen der Anspruchsteller sicher weiß, dass sich der Anspruch gegen eine von mehreren Personen richtet, der Anspruchsinhaber aber nicht nachweisen kann, gegen welche konkrete Person der Anspruch zu richten ist. Auch in diesen Fällen wird im Ergebnis eine erfolgversprechende Durchsetzung des Anspruches nicht möglich sein (vgl. AG Bielefeld, Urteil vom 06.03. 2014 – 42 C 368/13).

Diese für ein Mehrfamilienhaus entwickelten Grundsätze müssen umso mehr auf die hier vorliegende Fallkonstellation eines Freifunk-Netzwerkes gelten. Der Kläger hat hier substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen, dass die Rechtsverstöße auch durch Dritte begangen worden sein können. Damit hat der Kläger einen Sachverhalt vorgetragen, bei dem ernsthaft die Möglichkeit der Alleintäterschaft einer anderen Person in Betracht kommt. Dies umso mehr, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Beklagte selbst nur einen Zeitpunkt der Rechtsverletzung vorträgt – dieser Umstand kann gerade auf die Verletzung durch einen (kurzzeitigen) Nutzer des Netzwerkes deuten. Die Beklagte hat vorliegend nicht nachgewiesen, dass der Kläger persönlich die streitgegenständliche Rechtsverletzung als Allein-, Neben-, Mit- oder mittelbarer Täter begangen hat.

2. Störerhaftung und Privilegierung

Der zweite Teil ist dann, ob möglicherweise eine Haftung des Anschlussinhabers nach den Grundsätzen der Störerhaftung besteht. In diesem Zusammenhang – darauf habe ich hier im Blog auch immer wieder hingewiesen – war jahrelang streitig, ob die Privilegierung der §§ 8-10 TMG auf Unterlassungsansprüche Anwendung findet. Das LG München I hat diese Frage kürzlich (auch im Zusammenhang mit Freifunk) dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (LG München I, 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166; s. dazu auch hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2/2015, erscheint demnächst).

Unabhängig von dieser Frage kann die Privilegierung des § 8 TMG aber die Auswirkung haben, dass die Anforderungen an eventuelle Prüfungs- und Überwachungspflichten besonders hoch sind. Bis zum letzten Jahr gab es keine Urteile, die sich mit der Privilegierung für WLAN-Betreiber befasst haben, auch wenn die Literatur sich insoweit absolut einig war. Erst das AG Hamburg hatte dann festgestellt, dass WLAN-Betreiber sich auf § 8 TMG berufen können (AG Hamburg, 10. 6. 2014 – 25b C 431/13, CR 2014, 536; ebenso AG Hamburg, Urt. v. 24.6.2014 – 25b C 924/13; s. auch hier und hier). Das LG München I hatte in seinem Beschluss angedeutet, dass es das nach derzeitiger Rechtslage ebenso sehen würde (LG München I, 18. 9. 2014 – 7 O 14719/12, GRUR Int. 2014, 1166; s. dazu auch hier und Mantz/Sassenberg, MMR 2/2015, erscheint demnächst).

Nun ist das AG Charlottenburg dem – zu Recht – gefolgt (Hervorhebungen hier):

Wer ein öffentliches WLAN anbietet, ist grundsätzlich als Access-Provider einzustufen (vgl. etwa AG Hamburg, CR 2014, 536; Roggenkamp, jurisPR-ITR 12/2006 Anm. 3; Röhrborn/Katko, CR 2002, 882, 887). Dieser ist gemäß § 9 Abs. 1 TDG für fremde Informationen grundsätzlich nicht verantwortlich und deshalb auch nicht verpflichtet, Nutzer oder Kunden zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 TDG). Der lediglich den Zugang zu fremden Informationen eröffnende Provider haftet nicht, wenn er die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen weder ausgewählt noch verändert hat. Unberührt von dieser Privilegierung der bloßen Durchleitung von Informationen bleibt der Access-Provider gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 TDG zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen nur verpflichtet, wenn er Kenntnis von rechtswidrigem Tun erlangt hat (vgl. auch LG Flensburg, Urt. V. 25.11.2005 – 6 0 108/05). Diese Privilegierung erstreckt sich jedoch nicht auf Unterlassungsansprüche, d.h. auf die Haftung des Störers (BGHZ 158, 236 – Rolex). In derartigen Fällen sind aller-dings an die Zumutbarkeit von Maßnahmen und Pflichten ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen; dem Betreiber eines WLAN-Netzwerkes darf nichts abverlangt werden, was sein „Geschäftsmodell“ gefährdet. Das wäre jedenfalls bei schweren Eingriffen, etwa Port- oder DNS-Sperren, Registrierungspflichten etc. der Fall (vgl. auch Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rdn. 227 ff.). Eine Pflicht zur Belehrung kann nicht verlangt werden und erscheint bei dem hier vorliegenden Modell im Übrigen auch nicht praktikabel (vgl. AG Hamburg a.a.O.; Sassenberg/Mantz a.a.O., Rdn. 235; so wohl auch Hoeren/Jakopp, ZRP 2014, 72, 75).

Ohne – hier von der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten nicht vorgetragenen – Anlass für die Annahme, dass Nutzer Rechte Dritter im Rahmen der Nutzung des lntemetzugangs verletzen, ist dem Kläger eine ständige Überwachung nicht zumutbar (vgl. etwa LG Mannheim, Urt. v. 29.09.2006 – 7 0 62/06).

Insofern kann vergleichend die Rechtsprechung des BGH zu den Kontrollpflichten der Betreiber von Kopierläden herangezogen werden (VersR 1983, 1136). Auch diesen wird eine generelle Kontrolle — mit Einsicht in ggf. vertrauliche Unterlagen (hier vergleichbar mit einer ständigen Überwachung des Internetverkehrs Dritter) — nicht zugemutet. Auch etwa die Unterbindung der für die Tauschbörsennutzung typischen Verbindungen durch Sperrung der entsprechenden Ports (vgl. bereits oben; dies vertretend aber: Mantz, MMR 2006, 764, 765) erscheint angesichts deren Vielzahl und Veränderbarkeit nicht praktikabel.

3. Fazit

Die Entscheidung des AG Charlottenburg ist zu begrüßen und kann – auch wenn es kein Urteil, sondern nur eine Kostenentscheidung ist – mit Fug und Recht als Erfolg für die Freifunk-Bewegung angesehen werden. Das Gericht hat sich offenbar mit der Problematik bei Freifunk-Knoten befasst und – in Übereinstimmung mit den Ausführungen des AG Hamburg und insoweit auch dem LG München I – eine Haftung überzeugend verneint.

Download: Der Beschluss des AG Charlottenburg, 17.12.2014 – 217 C 121/14 (PDF, 0,4 MB) im Volltext

S. auch die Meldungen bei

AG Hamburg: Keine Haftung für WLAN bei Vermietung von Ferienwohnungen

Donnerstag, 03. Juli 2014

Das AG Hamburg hat mit einem neuen Urteil zur (nicht bestehenden) Haftung des Vermieters von Ferienwohnungen für die durch die Mieter über das WLAN begangenen Rechtsverletzungen erneut die Anwendung der Privilegierung des § 8 TMG auf WLANs angenommen (AG Hamburg, Urt. v. 24.6.2014 – 25b C 924/13 – Volltext, PDF). Das Urteil ist ähnlich dem, über das ich vor einigen Tagen berichtet hatte.

Interessant ist noch zweierlei:

1. Eingriffsmöglichkeiten

Zu Recht vergleicht das AG Hamburg den Vermieter von Ferienwohnungen im Hinblick auf seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Handlungen der Nutzer mit klassischen Access Providern. Das gilt auch, obwohl viel weniger Nutzer (nur die Mieter) das WLAN nutzen:

Dem gewerblichen Vermieter von Ferienwohnungen sind Prüfung und Kontrolle seiner Mieter jedoch ebenso wenig möglich, wie anderen Providern. Dass der Beklagte ggf. einer geringeren Anzahl an Nutzern den Zugang zum Internet vermittelt und deren Personalien kennt, erhöht zumindest im Rahmen eines Vermietungsmodells wie dem vorliegenden, nicht die Möglichkeit seiner Einflussnahme.

2. Keine Belehrungspflicht

Das AG Hamburg lehnt zunächst eine Belehrungspflicht grundsätzlich ab:

Fraglich dürfte ohnehin sein, ob ein Vermieter von Ferienwohnungen grundsätzlich verpflichtet ist, Belehrungen zu erteilen (so in einem ähnlich gelagerten Fall das LG Frankfurt a.M., MMR 2011, 401). Bei “klassischen” Access Provider werden Hinweise und Belehrungen grundsätzlich nicht gefordert (vgl. Mantz, GRUR-RR 2013, 497, 499). Auch der Vermieter kann grundsätzlich so gut wie keinen Einfluss auf seine – eigenverantwortlich handelnden- Mieter nehmen. Die Frage kann aber dahinstehen, da die erteilten Hinweise jedenfalls inhaltlich ausreichend.

Im Wege der Hilfsbegründung sieht es zudem die hier pauschal erteilte Belehrung als ausreichend an:

Die Frage kann aber dahinstehen, da die erteilten Hinweise jedenfalls inhaltlich ausreichend sind.

Die Belehrung war nicht zu pauschal. Es kann hierbei nicht darauf ankommen, dass die Belehrung explizit das Verbot einer Tauschbörsennutzung aufführt. Anderenfalls müsste sie sämtliche urheberrechtlichen Verstoßmöglichkeiten nennen. Eine derart lange, ggf. unübersichtliche und unverständliche Belehrung dürfte ihrem Zweck noch weniger dienbar sein. …

Es ist dem Beklagten auch nicht zuzumuten, die Belehrung an die jeweilige Nationalität des Mieters anzupassen. Ein Vermieter kann nicht gehalten sein, vor Abschluss eines Mietvertrages die jeweiligen urheberrechtlichen Standards abzugleichen und seine Belehrung entsprechend anzupassen.

(Crosspost von offenenetze.de)

Keine Haftung bei Betrieb eines Hotel-WLANs – AG Hamburg wendet Privilegierung des § 8 TMG an

Mittwoch, 02. Juli 2014

Das AG Hamburg (Urt. v. 10.6.2014 – 25b C 431/13, Volltext) hat kürzlich zur Haftung bei Betrieb eines WLANs in einem Hotel Stellung genommen, und dabei eine Haftung als Täter oder Teilnehmer unter Verweis auf § 8 TMG abgelehnt, und ferner auch eine Störerhaftung wegen angeblich unterlassener zumutbarer Prüfungs- und Überwachungspflichten verneint.

I. Das Urteil

Im Tatbestand hat das AG Hamburg u.a. festgestellt:

Den Hotelgästen wird die Internetnutzung wie folgt ermöglicht Jeder Gast erhält an der Rezeption auf Nachfrage kostenlos befristete Zugangsdaten. Er kann in seinem Zimmer eine WLAN als auch eine LAN Verbindung nutzen. Er muss sich individuell einwählen und vorder Nutzung in den Nutzungsbedingungen bestätigen, dass er „die Haftung für alle Aktivitäten übernehme“ und „vermutlicher Missbrauch rechtliche Schritte nach sich ziehen könne“.

Der Beklagte hat die Zimmergäste des 21.072012 benannt (Anlage B5). Wer genau von diesen Gästen das Internet genutzt hat und wie, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Eine durchgängige Datenspeicherung wird aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht durchgeführt.

Der Beklagte hat bereits in den letzten drei bis vier Jahren Abmahnungen der streitgegenständlichen Art von unterschiedlichen Rechteinhabern erhalten.

Der Inhaber des Hotels hatte u.a. noch folgendes vorgetragen:

Auch wenn ein Hotelgast die behauptete Rechtsverletzung begangen habe, ist er der Auffassung, dass ihm weitergehende Absicherungen des Intemetanschlusses nicht möglich und zumutbar seien. Störungen der Internetverbindung aufgrund etwaiger Sperrungen könne er nicht hinnehmen. Seine primär ausländischen und geschäftlich tätigen Hotelgäste seien auf ein störungsfrei funktionierendes Internet angewiesen. Sie würden hohe Standards voraussetzen. Könne er diese nicht erfüllen, sei er in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht.

Er habe sowohl bei der … als auch bei einem Fachanwalt um Rat gefragt. Eine Lösung, wie man Nutzungen der streitgegenständlichen Art ausschließen könne, ohne Einschränkungen von Verfügbarkeit, Performance und Übertragungsgeschwindigkeit hinzunehmen, habe ihm niemand bieten können.

Als – soweit bekannt – erstes deutsches Gericht wendet das AG Hamburg die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG auf ein gewerbliches WLAN an und schließt damit die Haftung als Täter oder Teilnehmer aus:

1. Selbst wenn die streitgegenständliche Nutzungshandlung durch einen der Hotelgäste über den gewerblich genutzten Hotelanschluss des Beklagten vorgenommen wurde, ist der Beklagte von einer deliktischen Haftung – als Täter und als Teilnehmer – freigestellt, da die Privilegierung des § 8 Abs. 1 S. 1 TMG auf ihn Anwendung findet § 8 TMG greift für Dienstanbieter, die für ihre Nutzer Zugang zu einem Kommunikationsnetz herstellen, vgl. § 2 Nr. 1 TMG. Der Beklagte, der sämtlichen Hotelgästen die Nutzung des WLAN Netzwerkes anbietet und ihnen so den Zugang zum Internet vermittelt, gehört als sogenannter Access Provider hierzu. Auch wenn die Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 8 TMG auf WLAN Betreiber (privat als auch gewerblich) bisher nicht erkennbar thematisiert hat, ist der herrschenden Literaturauffassung in diesem Punkt zu folgen (vgl. Mantz, GRUR-RR 2013,497 m.w.N.; sowie Hoeren/Jakopp, ZPR 2014, 72, 75 m.w.N.).

Nach § 8 Abs. 1 S. 1 TMG sind Dienstanbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern die die Übermittlung nicht veranlasst den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt, die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben und nicht kollusiv mit dem Nutzer zusammengearbeitet haben.

Unstreitig ist keiner der Ausnahmetatbestände des § 8 TMG einschlägig.

Das Gericht geht anschließend im Wege einer zusätzlichen Begründung darauf ein, dass auch ohne Privilegierung eine Haftung als Täter oder Teilnehmer ausscheidet.

Anschließend lehnt das Gericht auch eine Haftung als Störer ab. Auch hier führt das AG Hamburg zwei alternative Begründungen an, die beide zum Ausschluss der Haftung führen. Es führt zum ersten Begründungspunkt u.a. aus:

Der Beklagte haftet auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung, da er keine ihm mögliche und zumutbare Prüf- und Überwachungspflichten verletzt hat. …

Für den Beklagten als geschäftlichen Betreiber eines Hotel WLAN-Netzwerkes müssen im Ausgangspunkt die von der Rechtsprechung geprägten Grundsätze der Provider-Störerhaftung gelten (vgl. Hoeren/Jakopp, ZPR 2014, 72, 75). Daraus folgt insbesondere, dass der Maßstab der Zumutbarkeit streng anzusetzen ist.

Auch bei Vertretung der Ansicht, dass § 8 TMG (mangels unmittelbarer Anwendbarkeit) einer Inanspruchnahme als Störer nicht grundsätzlich entgegensteht (vgl. bspw. OLG Hamburg, Urteil vom 21.11.2013 – 5 U 68/10), so muss seine privilegierende Wertung den anzusetzenden Pflichtenmaßstab maßgeblich prägen. Auch der BGH integriert nunmehr die Vorgaben des TMG, als auch der E-Commerce-RL und der Rechtsprechung des EuGH in die Bewertung der Prüfungs- und Überwachungspflichten im Rahmen der Störerhaftung (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2012 -I ZR 18/11).

Für einen Filehosting-Dienst hat der BGH entschieden, dass etwaige Sicherungspflichten erst ab Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung und für die Zukunft zu ergreifen sind, um gleichartige Rechtsverletzungen zu verhindern. Wobei es hinsichtlich der Gleichartigkeit zwar nicht auf die Person desjenigen ankommt, der den Verletzungstatbestand erfüllt, sich die Verletzungshandlung aber auf das konkret urheberrechtlich geschützte Werk beziehen muss (BGH, Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 18/11). Bei Gleichstellung des gewerblichen WLAN-Betreibers würde eine Störerhaftung vorliegend bereits aus diesem Grund scheitern. Denn der Beklagte war zwar aufgrund von diversen Abmahnungen seit drei bis vier Jahren in Kenntnis gelegentlicher, ähnlich gelagerter Rechtsverletzungen über den Hotelanschluss, nicht jedoch über die konkret vorgeworfene. Dass das konkret benannte geschützte Filmwerk des Klägers nach Erhalt der Abmahnung noch einmal verletzt worden sein soll, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Anschließend verneint das AG Hamburg auch weitere zumutbare Prüfungs- und Überwachungspflichten, insbesondere die Einrichtung von Portsperren. Dabei stellt es auch darauf ab, dass das WLAN gesichert war. Das Gericht stellt anschließend auch in Frage, ob eine Belehrung der Nutzer – die der Hotelinhaber hier vorgenommen hatte – überhaupt verlangt werden kann:

Eine Inanspruchnahme des Beklagten als Störer scheitert aber jedenfalls an der mangelnden Zumutbarkeit weiterer Maßnahmen.

Die von ihm bereits ergriffenen Maßnahmen sind hinreichend. Der Beklagte betreibt kein ungesichertes WLAN Netzwerk, denn das eingerichtete Internet Gateway beschränkt die Zugriffsmöglichkeiten zumindest teilweise. Durch die Vergabe befristeter Zugangsdaten wird die Missbrauchsmöglichkeit durch hotelexterne Dritte reduziert und zudem werden die Hotelgäste gemäß der Anlage B4 belehrt. Ein Ausbau der Hinweispflichten war auch nach Erhalt diverser Abmahnungen nicht erforderlich. Fraglich dürfte ohnehin sein, ob ein Hotelbetreiber grundsätzlich verpflichtet ist, Belehrungen zu erteilen (so in einem ähnlich gelagerten Fall das LG Frankfurt a.M., MMR 2011, 401). Bei „klassischen“ Access Provider werden Hinweise und Belehrungen grundsätzlich nicht gefordert (vgl. Mantz, GRUR-RR 2013, 497, 499). Auch ein Hotelbetreiber kann grundsätzlich so gut wie keinen Einfluss auf seine – eigenverantwortlich handelnden- Gäste nehmen. Die Frage kann aber dahinstehen, da die erteilten Hinweise jedenfalls inhaltlich ausreichend und für internationale Gäste auch in der jeweiligen Sprache abrufbar sind.

Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es auch keiner Sperrung von Ports. Der Kläger hat Bezug genommen auf ein Urteil des Landgericht Hamburgs, in welchem dieses entschied, dass es dem Betreiber eines Internetcafes möglich und zumutbar sei, Rechtsverletzungen mittels Filesharing bspw. durch Sperrung etwaiger Ports zu verhindern (vgl. LG Hamburg, MMR 2011, 475). Der Kläger hat zum einen bereits nicht vorgetragen, welche Ports der Beklagte genau hätte sperren sollen und zum anderen, ob eine solche Sperrung die streitgegenständliche Nutzungshandlung wirksam hätte verhindern können. Es dürfte Einigkeit dahingehend bestehen, dass unwirksame oder ineffektive Mahnahmen von Providern nicht verlangt werden können (vgl. bspw. OLG Hamburg, MMR 2009, 631).

Dem Beklagten ist es auf jeden Fall nicht zumutbar, Maßnahmen zu ergreifen, die gleichzeitig die Gefahr in sich tragen, dass der Zugang zu rechtmäßigen Angeboten unterbunden wird, und/oder zur Folge haben, dass die Leistungsfähigkeit des Internetanschlusses merkbar begrenzt wird.

Denn dem Beklagten, der aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen ist, seinen Hotelgästen eine störungsfreie Internetnutzung zu ermöglichen, dürfen keine Maßnahmen auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährden könnten (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 18/11). Der Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass es bei Einschränkungen der Internetnutzung nicht auszuschließen ist, dass er seine Hauptkunden verliert und er damit in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist.

Maßnahmen, die die streitgegenständliche Rechtsverletzung hätten verhindern können und gleichzeitig sämtlichen genannten Voraussetzungen gerecht werden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

II. Kurze Bewertung

Das Urteil des AG Hamburg ist durchaus beachtenswert. Als wie gesagt wohl erstes deutsches Gericht hat es die Anwendbarkeit der Privilegierung des § 8 TMG auf gewerbliche WLANs angesprochen – und angenommen. Dabei schließt es sich der allgemeinen Auffassung in der Literatur an (vgl. Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 216 mit weiteren Nachweisen).

Zudem folgt es auch der aktuellen Tendenz des BGH, die Grundsätze der Privilegierung auch auf die Haftung als Störer zu übertragen und insbesondere eine Haftung überhaupt erst ab Kenntnis von der konkreten, im Einzelfall vorliegenden Rechtsverletzung anzunehmen (dazu Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 217 mit weiteren Nachweisen). Selbst in der als zusätzliche Begründung durchgeführten Bewertung der durch den Hotelinhaber ergriffenen Maßnahmen (Zugang nur mit Passwort, Belehrung) lehnt das AG Hamburg die Haftung ab. Dabei geht es auch darauf ein, dass Maßnahmen, die den Weiterbetrieb des WLANs einschränken als unzumutbar anzusehen sind (zur eingehenden Bewertung von einzelnen Maßnahmen bei Betrieb eines WLANs Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 227 ff., zu Portsperren Rn. 229), wobei es auch darauf eingeht dass der Betrieb eines WLANs wirtschaftlich notwendig ist (zur wirtschaftlichen Bedeutung von kostenlosem WLAN u.a. in Hotels hier) Zudem sieht das AG Hamburg Belehrungen der Nutzer als nicht erforderlich an. Der BGH hat gerade erst in seiner Bearshare-Entscheidung wieder (auch) darauf abgestellt, dass Erwachsene eigenverantwortlich handeln. Dies gilt selbstverständlich auch für die Nutzer eines WLANs in einem Hotel.

Unklar bleibt allerdings auch nach diesem Urteil, wie denn der Fall zu beurteilen ist, wenn im WLAN keine Zugangssicherung vorhanden ist. Aber auch in einem solchen Fall – der bei WLANs im Übrigen absolut üblich ist – dürfte eine Haftung unter Anwendung der Grundsätze für „klassische Access Provider“ ausscheiden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist daher noch abzuwarten, wie sich das LG Hamburg positionieren wird. Auch unter Zugrundelegung der bereits in zwei Urteilen festgelegten Maßstäbe des LG Frankfurt (MMR 2011, 401 und GRUR-RR 2013, 501 – dazu hier) dürfte eine Haftung des Hotelinhabers hier nicht gegeben sein, so dass eher nicht mit einer Aufhebung zu rechnen ist.

 

(Crosspost von offenenetze.de)

Was bedeutet das BGH-Urteil „BearShare“ für Freifunk/öffentliche WLANs?

Dienstag, 01. Juli 2014

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Januar wieder einmal zur Frage der Haftung des Internetanschlussinhabers für die Handlungen der Mitnutzer entschieden (BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12 – BearShare, Volltext). Die Urteilsgründe sind aber erst kürzlich erschienen. Endlich habe ich auch die Zeit gefunden, mir das Urteil im Hinblick auf die Folgerungen für öffentliche WLANs etwas genauer anzusehen …

1. Der Fall

In dem Fall ging es um eine ähnliche Konstellation wie schon Ende 2012 in der Morpheus-Entscheidung (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12) und um einen anderen Fall als BGH „Sommer unseres Lebens“ (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, MMR 2010, 565). Diese letzten beiden Entscheidungen führt der BGH nun fort.

Der Beklagte war Inhaber eines Internetanschlusses. U.a. hatte sein volljähriger Stiefsohn Zugriff über das heimische, gesicherte WLAN hierauf und damit auch auf das Internet. Über den Anschluss wurde mittels der Filesharing-Software BearShare eine Urheberrechtsverletzung begangen. Der verletzte Rechteinhaber mahnte den Beklagten als Anschlussinhaber ab, verlangte Schadensersatz, Unterlassen und Abmahnkosten und erhob anschließend Klage. Der Beklagte verteidigte sich damit, dass die Rechtsverletzung durch seinen Sohn begangen worden sei.

2. Schadensersatz, sekundäre Darlegungslast und deren Folgen für den Anschlussinhaber und Betreiber öffentlicher WLANs

Punkt 1 in jeder solchen Entscheidung ist die Frage, ob der Anschlussinhaber auf Schadensersatz haftet. Der BGH führt wie gesagt seine bisherige Rechtsprechung fort. Zunächst nimmt sieht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine über einen Internetanschluss begangene Rechtsverletzung auch durch den Anschlussinhaber selbst begangen worden ist. Aus dieser Vermutung leitet der BGH wie bisher eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten ab. Es ist also seine Aufgabe, die Vermutung zu erschüttern. Aus dem Urteil:

(1) Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 – I ZR 140/10, GRUR 2012, 602 Rn. 23 = WRP 2012, 721 – Vorschaubilder II, mwN). Diese Voraussetzung ist im Verhältnis zwischen den primär darlegungsbelasteten Klägerinnen und dem Beklagten als Anschlussinhaber im Blick auf die Nutzung seines Internetanschlusses er- füllt.

(2) Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; Beschluss vom 4. November 2013 – 22 W 60/13, juris Rn. 7; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2013, 246; LG Köln, ZUM 2013, 67, 68; LG München I, MMR 2013, 396). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. zur Recherchepflicht beim Verlust oder einer Beschädigung von Transportgut BGH, Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 31; insoweit aA OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; LG München I, MMR 2013, 396).

(3) Der Beklagte hat seiner sekundären Darlegungslast dadurch entsprochen, dass er vorgetragen hat, der in seinem Haushalt lebende 20-jährige Sohn seiner Ehefrau habe die Dateien von dem in seinem Zimmer stehenden Computer zum Herunterladen bereitgehalten.

dd) Unter diesen Umständen ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 35 – Morpheus).

Das hört sich alles bekannt an, schließlich steht es genauso in der Morpheus-Entscheidung? Stimmt.

Aber trotzdem hat das Urteil genau in diesem Punkt Neuheitswert. Denn zuletzt hatten verschiedene Gerichte trotz Morpheus die Anforderungen für den Anschlussinhaber wieder verschärft. Sie wollten, dass der Beklagte den Täter benennt (sog. „Ross und Reiter-Theorie“, z.B. das OLG Köln, s.o.) oder sogar komplett die Beweislast für die Tat durch den Dritten trägt (z.B. das LG München I, s.o.). Diesen Verschärfungstrend stoppt der BGH. Er stellt klar fest, dass es ausreicht, substantiiert darzulegen, dass die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass ein Dritter die Rechtsverletzung begangen haben kann. Allerdings ist es auch zu erwarten, dass der Anschlussinhaber Erkundigungen einholt, z.B. seine Familienmitglieder befragt. Das bedeutet aber nicht, dass er seine Familienmitglieder effektiv belasten muss („Der wars!“). Denn insoweit stellt der BGH fest, dass über § 138 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht greift (s. z.B. schon LG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.10.2012 – 2-03 O 152/12, MMR 2013, 56; zum Thema sekundäre Darlegungslast eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 248).

Was bedeutet das für öffentliche WLANs, wie z.B. Freifunk-Netze, Hotel-WLANs, kommunale WLAN etc.? Erst einmal nichts. Denn die sind ohnehin über § 8 TMG gegenüber Schadensersatzansprüchen privilegiert (so z.B. kürzlich das AG Hamburg).

Aber selbst wenn man eine solche Anwendung der Privilegierung ablehnt, gilt für solche WLANs nichts anderes als für den Familienanschluss: Die ernsthafte Möglichkeit der Verletzung durch Dritte reicht. Und das steht öffentlichen WLANs quasi auf die Stirn geschrieben, so dass man bei diesen schon an der tatsächlichen Vermutung zu Lasten des Inhabers zweifeln muss. Allerdings muss der Betreiber im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen zum möglichen Täter anstellen und darüber Mitteilung machen. Wer aber den Täter nicht ermitteln kann – und das wird aufgrund der Unmöglichkeit, nachträglich Datenströme zu untersuchen praktisch immer der Fall sein. Anders wäre es nur, wenn die Nutzung registriert wird, z.B. durch Anmeldung, wie es teilweise in Hotels und bei der Vermietung von Räumlichkeiten der Fall ist. Aber nicht falsch verstehen: Eine Pflicht zur Registrierung bedeutet das nicht (s. Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 234 m.w.N.)!

3. Störerhaftung (und Abmahnkosten)

Das zweite Element ist immer die Frage, ob der Anschlussinhaber als Störer haftet. Und – für den abmahnenden Rechteinhaber häufig am interessantesten – darauf kommt es maßgeblich auch für die Pflicht zum Ersatz von Abmahnkosten an.

Was hat der BGH dazu ausgeführt?

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war es dem Beklagten nicht zuzumuten, seinen volljährigen Stiefsohn ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend belehrt haben sollte.

(1) Der Senat hat zwar entschieden, dass der Inhaber eines ungesicher- ten WLAN-Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet, wenn außenstehen- de Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich ge- schützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 20 bis 24 – Sommer unseres Lebens). Diese Entscheidung ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber nicht auf die hier vorliegende Fallgestal- tung übertragbar, bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Familienangehörigen zur Verfügung stellt (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 42 – Morpheus).

(2) Der Senat hat ferner entschieden, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch genügen, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nut- zung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 24 – Morpheus). Auch diese Entscheidung ist nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar, bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Familienmitglied zur Verfügung stellt, über das er nicht kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht verpflichtet ist und das auch nicht wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf.

(3) Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Ver- hinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (hierzu Rn. 22). Danach ist bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige zu berücksichtigen, dass zum einen die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und zum anderen Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das – auch grundrechtlich geschützte (Art. 6 Abs. 1 GG) – besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen, darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Überlassung des Internetanschlusses durch einen Ehepartner an den anderen Ehepartner (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; GRUR-RR 2013, 246; OLG Köln, WRP 2011, 781; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 – 20 U 63/12, juris Rn. 29; LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268; Rathsack, jurisPR-ITR 25/2012 Anm. 4 unter D; ders., jurisPR-ITR 12/2013 Anm. 5 unter D; ders., jurisPR-ITR 19/2013 Anm. 2 unter C; Härting in Internet- recht, 5. Aufl., Rn. 2255). Sie gelten vielmehr auch für die – hier in Rede stehende – Überlassung des Internetanschlusses durch Eltern oder Stiefeltern an ihre volljährigen Kinder oder Stiefkinder (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 – 20 U 63/12, juris Rn. 29; LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268; LG Hamburg, Verfügung vom 21. Juni 2012 – 308 O 495/11, juris Rn. 4; Rathsack, jurisPR-ITR 19/2013 Anm. 2 unter C; Solmecke, MMR 2012, 617, 618; Härting in Internetrecht aaO Rn. 2256; aA OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; WRP 2012, 1148; MMR 2012, 184, 185; vgl. auch Rauer/Pfuhl, K&R 2012, 532, 533). Ob und inwieweit diese Grundsätze bei einer Überlassung des Internetanschlusses durch den Anschlussinhaber an andere ihm nahestehende volljährige Personen wie etwa Freunde oder Mitbewohner entsprechend gelten, kann hier offenbleiben (für eine entsprechende Anwendung OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 – 20 U 63/12, juris Rn. 29; Härting in Internetrecht, 5. Aufl., Rn. 2256; aA OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; LG Düsseldorf, ZUM-RD 2010, 396, 398).

Enthalten diese Ausführungen etwas Neues? Ja: Volljährige Familienmitglieder müssen nicht belehrt werden. Und weiter? Nichts.

Daher gilt: Für öffentliche WLANs hält der BGH in „BearShare“ keine Antworten bereit. Ganz im Gegenteil, er lässt diese Fragen ganz bewusst offen.

4. Und jetzt? – Fazit

Als Fazit bleibt es bei dem, was wir schon vorher wussten: Es kommt darauf an. Die Grundregel lautet: Der Betreiber eines öffentlichen WLANs muss diejenigen Prüfungs- und Überwachungsmaßnahmen ergreifen, die ihm zumutbar sind. Aber: Wer ein öffentliches WLAN anbietet, ist Access Provider und die können sich auf § 8 TMG berufen. Der BGH hält zwar fest, dass §§ 8-10 TMG nicht für die Störerhaftung gelten sollen, gesteht aber immerhin zu, dass an die Zumutbarkeit von Maßnahmen und Pflichten ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen sind (so kürzlich auch das AG Hamburg m.w.N.). Und daraus folgt zumindest nach der allgemeinen Auffassung in der Literatur sowie dem AG Hamburg, dass dem Betreiber eines WLANs nichts abverlangt werden kann, was sein Geschäftsmodell gefährdet. Und das sind jedenfalls schwere Eingriffe wie z.B. Port- oder DNS-Sperren, Registrierungspflichten etc. (eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 227 ff.). Selbst eine Pflicht zur Belehrung kann nicht verlangt werden (AG Hamburg, Urt. v. 10.6.2014 – 25b C 431/13; Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 235 m.w.N.; wohl auch Hoeren/Jakopp, ZRP 2014, 72, 75).

 

(Crosspost von offenenetze.de)

Das WLAN-Urteil des BGH und seine Auswirkungen auf offene Netze

Donnerstag, 17. Juni 2010

Für das am 12.5.2010 verkündete Urteil des BGH zur Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses mit WLAN liegt mittlerweile die Begründung vor, nachdem sich zuvor alle Äusserungen nur auf die Pressemitteilung des BGH bezogen konnten (s. http://openjur.de/u/32452-i_zr_121-08.html).

1. Unklare Sachlage

Obwohl über den Fall schon mehrfach geschrieben wurde, ist die tatsächliche Grundlage des Urteils auch mit Vorliegen der Urteilsgründe leider noch nicht vollends geklärt. Unklar ist nämlich, wie das WLAN des Beklagten gesichert war. S. dazu auch http://www.telemedicus.info/article/1774-Der-BGH-zur-WLAN-Haftung.html

2. Die Entscheidung des BGH

Auf Rechtsfolgenseite hat der BGH folgendes entschieden:

–       Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten scheidet aus.

–       Der Beklagte haftet als Störer grundsätzlich auf Unterlassen, allerdings soll die Klägerin ihren Unterlassensantrag vor dem OLG Frankfurt noch präzisieren, insofern wird an das OLG Frankfurt zurückverwiesen.

–       Wegen der Kosten wird ebenfalls an das OLG Frankfurt verwiesen.

3. Eine kurze Analyse der wesentlichen Punkte der Urteilsgründe

Das Urteil des BGH ist bisher ingesamt eher negativ aufgenommen worden. Das liegt nicht unbedingt am Ergebnis, sondern vielmehr daran, dass der BGH nicht nur die Chance vertan hat, seit dem Urteil des LG Hamburg aus dem Jahr 2006 bestehende Rechtsfragen im Hinblick auf die Störerhaftung für WLAN-Netzwerke zu klären, sondern darüber hinaus selbst in den Fragen, die der BGH definitiv hätte beantworten können oder müssen, für neue Verwirrung gesorgt hat.

a)     Keine Haftung auf Schadensersatz

Der BGH hat relativ ausführlich zur Frage Stellung genommen, ob der Beklagte als Täter oder Teilnehmer der Rechtsverletzung haftet. Dabei muss man stets im Hinterkopf behalten, dass für diese Haftung nach §§ 19a, 97 UrhG ein Verschulden des Beklagten nachgewiesen und begründet werden muss. Auch wenn die Ausführungen zur Schadensersatzhaftung einen guten Eindruck machen, war hier eine andere Behandlung kaum denkbar.

aa)  Sekundäre Darlegungslast zur Täterschaft und Routerprotokolle

Zunächst hat der BGH festgestellt, dass den Beklagte in einem Filesharing-Verfahren eine sekundäre Darlegungslast trifft und sich darin dem insoweit meinungsführenden OLG Köln angeschlossen. Dabei ist zu beachten, dass die sekundäre Darlegungslast keinen Vollbeweis erfordert. Es reicht vielmehr aus, den Vortrag der Klägerin substantiiert zu erschüttern, was zugegebenermassen häufig einem Vollbeweis nahekommt.

Vorliegend reicht es laut dem BGH aus, dass die Klägerin darlegt, dass der Beklagte Anschlussinhaber des für die Rechtsverletzung genutzten Anschlusses ist. Dem ist der Beklagte erfolgreich damit entgegengetreten, dass er zum fraglichen Zeitpunkt unstreitig im Urlaub war. In solchen Fällen ist es also hilfreich, wenn es Zeugen dafür gibt, dass man zum fraglichen Zeitpunkt auf der Arbeit war, im Urlaub, im Sportclub etc.

bb) Keine Übertragung der Halzband-Entscheidung

Die immer wieder ins Feld geführte Entscheidung „Halzband“ (BGH NJW 2009, 1960) ist laut BGH nicht übertragbar, da eine IP-Adresse gerade keine eindeutige Identifizierungsfunktion innehat. Ganz im Gegenteil stellt der BGH erfreulicherweise fest, dass der Inhaber des Anschlusses dazu berechtigt ist, beliebigen Dritten seinen Anschluss zur Verfügung zu stellen.

b)    Ausführungen zur Störerhaftung

Anders als bei der Verschuldenshaftung lässt der BGH bei der Begründung der Annahme der Störerhaftung (http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%B6rerhaftung) einige klärende Antworten vermissen. Zur Erinnerung: Störerhaftung erfordert eine adäquat-kausale Mitwirkung an der Rechtsverletzung, eine Abhilfemöglichkeit und die Verletzung von Prüfungs- und Überwachungspflichten, die im Ergebnis eine Abwägung der beteiligten Interessen darstellt.

aa)  Adäquate Kausalität

Der BGH hat – auf einer Linie mit dem LG Hamburg und der erstinstanzlichen Entscheidung des LG Frankfurt die adäquate Kausalität der Handlungen des Beklagten angenommen. Adäquate Kausalität liegt verkürzt gesprochen vor, wenn ein Ergebnis oder Kausalverlauf nicht vollkommen unwahrscheinlich und fern jeder Lebenserfahrung ist. Dies ist auf den ersten Blick der Fall. Allerdings hat das OLG Frankfurt hier darauf abgestellt, dass keine Daten dazu vorliegen, ob WLAN-Netze durch Dritte genutzt werden.

Diese Frage stellt sich noch deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Netz des Beklagten tatsächlich gesichert war. Während man bei einem unverschlüsselten Netz noch davon ausgehen kann, dass dieses evtl. von Dritten genutzt wird, wenn sie darüber „stolpern“, ist dies bei einem mit Verschlüsselung und Passwort gesicherten Netz nicht der Fall. Ganz im Gegenteil ist es völlig unwahrscheinlich, dass sich jemand bewusst in ein gesichertes Netz begibt und dieses nutzt – unabhängig davon, ob ein Standardpasswort verwendet wird oder nicht. Hier geht der BGH davon aus, dass es normal ist, dass Dritte sich unter Verstoss gegen § 202a StGB (wenigstens nach aktueller Instanzrechtsprechung, s. http://www.retosphere.de/offenenetze/2010/01/29/ag-zeven-nutzung-eines-offenen-wlan-strafbar) in strafrechtlich relevanter Art und Weise Zugang zum Netz eines Dritten verschaffen. Hier hätte der BGH wenigstens nach der Fragestellung, die das OLG Frankfurt aufgeworfen hat, deutlich mehr Aufwand für die Begründung betreiben müssen.

bb) Zumutbarkeit der Änderung des Passworts

Anschliessend stellt der BGH fest, dass es zumutbar ist, dem privaten Inhaber eines WLAN aufzuerlegen, sein Kennwort zu ändern.

Interessanterweise stützt der BGH die Zumutbarkeit auf das Eigeninteresse des Betroffenen. Da der Beklagte ein vitales Interesse am Schutz seiner eigenen Daten gehabt habe, sei ihm aus diesem Grunde der Schutz der Interessen Dritter zumutbar.

Diese Begründung hat bereits viel Kritik erfahren, da es sich um ein unzulässiges Abstellen auf ein „Verschulden gegen sich selbst“ handele (dazu http://www.internet-law.de/2010/06/bgh-urteil-zur-w-lan-haftung-im-volltext.html und http://www.telemedicus.info/article/1774-Der-BGH-zur-WLAN-Haftung.html).

In diesem Punkt hat der BGH offenbar vom Ergebnis her gedacht, allerdings die technischen Gegebenheiten nicht richtig beachtet. Denn hier hätte der BGH sauber trennen müssen: Die Unsicherheit des WLAN bedingt nicht die Unsicherheit der Daten. Trotz Zugang zum WLAN kann der Beklagte die Freigaben auf seinem Computer restriktiv und damit sicher eingestellt haben. Hierzu haben aber weder die Instanzgerichte noch der BGH tatsächliche Feststellungen getroffen. Ob ein solches Interesse also vorlag, lässt sich nicht ohne weiteres postulieren.

Auch die Daten auf dem Router selbst, also z.B. die Zugangsdaten zum DSL-Anbieter, müssen nicht zwingend unsicher gewesen sein. Denn das Kennwort zum Zugang zum WLAN und das Administratorpasswort des Routers sind in der Regel nicht identisch. Ob der Beklagte das Administratorpasswort des Routers geändert hat, ergibt sich ebenfalls nicht aus den Feststellungen des Gerichts.

Dennoch ist dieser Teil beachtlich, denn er hat für Freifunk und institutionelle Anbieter von offenem WLAN (worunter ich jetzt z.B. auch Internet-Cafes fasse) eine grosse Bedeutung: Wenn der Anbieter eines offenen Netzes seine Daten schützt und dennoch das Netz bewusst öffnet, dann kann sich der BGH nicht auf das Eigeninteresse des Anbieters schützen und daraus eine Pflicht ableiten. Gerade bei Freifunk ist es üblich, dass das Setup zwei Router umfasst, von denen einer das offene Netz bereitstellt. Durch diese Aufteilung erfolgt eine netzwerktypologische Trennung der Netze und damit eine Sicherung des privaten lokalen Netzes vor Zugriffen der Nutzer. Ebenso dürfte es sich bei institutionellen Anbietern verhalten.

cc)  Marktübliche Sicherung

Anschliessend konkretisiert der BGH die Pflichten des Beklagten, indem er darauf abstellt, dass derjenige, der einen WLAN-Router kauft, wenigstens diejenigen Sicherheitseinstellungen einhalten muss, die zum Zeitpunkt des Kaufs marktüblich sind. Eine Überwachungspflicht sieht der BGH als unzumutbar an.

Hierbei ist allerdings zu beachten, dass der BGH diesbezüglich von einer Unzumutbarkeit für den privaten Inhaber spricht. Das könnte darauf hindeuten, dass institutionelle Anbieter ihre Sicherheitseinstellungen regelmässig zu überprüfen haben.

dd) Privilegierung von Geschäftsmodellen

Ein m.E. ganz wichtiger Punkt der Entscheidung ist der folgende Absatz (II.2.b.dd). Denn der BGH drückt aus, dass es dem Beklagten zumutbar war, Sicherungsmassnahmen zu ergreifen, da er KEIN Geschäftsmodell verfolgt.

In der Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung hat sich immer wieder gezeigt, dass der BGH Geschäftsmodelle grundsätzlich schützt – wenigstens insoweit als eine auferlegte Pflicht nicht zur Einstellung des Geschäftsbetriebes führen darf.

Man kann den BGH also so verstehen, dass er geringere Pflichten auferlegt, sobald hinter dem Angebot ein wie auch immer geartetes Geschäftsmodell steht. Dies darf allerdings nicht in einem streng wirtschaftlichen Sinne verstanden werden, sondern dürfte sich auf jegliches organisierte und bewusste Öffnen des Netzes beziehen – und damit auch auf Freifunk.

ee)  Keine Anwendung der Privilegierung des § 8 TMG – (doch) eine grundsätzliche Anwendbarkeit der Privilegierungen auf Unterlassungsansprüche?

Bedeutsam ist ferner der Teil, in dem der BGH auf die Anwendung der Privilegierung der §§ 7 ff. TMG eingeht. Interessanterweise bezieht sich der BGH hier nur auf § 10 TMG, der für Host Provider wie Ebay gilt und mit dem Bereitstellen eines WLAN nichts zu tun hat.

Ungeachtet dessen offenbart eine Analyse dieses Abschnitts möglicherweise eine Überraschung.

Der BGH geht im ersten Teil des Absatzes auf das Geschäftsmodell und seine Internetversteigerungsrechtsprechung ein. Dann stellt er fest, dass die Privilegierungen des TMG keine Anwendung finden. Argumentativ ist nach dieser Feststellung der Platz für eine Begründung der Feststellung. Bisher hat der BGH an dieser Stelle immer auf seine entsprechenden Entscheidungen verwiesen und damit gesagt, dass die Privilegierungen ohnehin nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar sind. Damit wäre dieser Punkt abschliessend behandelt.

Stattdessen führt der BGH aus, dass das Interesse an WLAN dem nicht entgegensteht.

Fraglich ist, wie dies zu verstehen ist. Denn nach dem bisherigen Vorgehen des BGH hätte es dieses Satzes nicht bedurft. Man könnte dies als Hinweis darauf sehen, dass der BGH von seiner grundsätzlichen Ablehnung der Anwendung der Privilegierungen auf Unterlassungsansprüche abrückt und stattdessen eine neue Begründung benötigt. Eine ähnliche Tendenz hat der BGH bereits im Urteil zu Google-Thumbnails (Urteil vom 29. April 2010, Az.: I ZR 69/08) erkennen lassen (s. zu dieser Problematik http://www.internet-law.de/2010/05/anmerkung-zum-urteil-des-bgh-zur-google-bildersuche.html und http://www.retosphere.de/offenenetze/2010/05/19/bgh-google-thumbnails-und-die-anwendung-der-privilegierungen-der-%c2%a7%c2%a7-7-10-tmg-auf-unterlassungsanspruche).

ff)   Das Interesse an WLAN ist hoch zu bewerten und berechtigt

Besondere Hervorhebung gebührt noch der Feststellung des BGH, dass das Interesse an „leichtem und räumlich flexiblem Zugang zum Internet“ hoch zu bewerten und berechtigt ist.

Hier hat der BGH tatsächlich Farbe bekannt – und damit einen Baustein für künftige Abwägunsentscheidungen gelegt. Wichtig ist dies, da das Interesse am Zurverfügungstellen von Infrastruktur im Hinblick auf den „Digital Divide“ sogar noch höher zu bewerten. Damit gibt der BGH Freifunkern ein weiteres wichtiges Argument an die Hand.

4. Zur Kostendeckelung nach § 97a UrhG

Interessanterweise enthält das Urteil – entgegen der Pressemitteilung, die insofern mindestens missverständlich war – keine Erwähnung zur Anwendung der Kostenkappung für die Abmahnung auf 100 EUR. Zur Kritik daran s. http://www.telemedicus.info/article/1773-Pressemitteilungen-und-Urteilsgruende-beim-BGH.html).

Alle diesbezüglichen Ausführungen in die eine oder andere Richtung sind damit hinfällig. Allerdings gilt dies auch für den Hinweis in der Pressemitteilung, dass § 97a UrhG auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sein soll. Denn der BGH hat die komplette Kostenentscheidung an das OLG Frankfurt zurückverwiesen. Es liegt jetzt in der Hand des OLG Frankfurt, nicht nur den Streitwert zu bestimmen, sondern auch über eine Anwendung von § 97a UrhG auf Altfälle zu entscheiden. Diese Auffassung nimmt beispielsweise das OLG Brandenburg ein.

5. Fazit und Auswirkungen

Insgesamt ist das Urteil sehr unbefriedigend. Denn der BGH hat es versäumt, offene Rechtsfragen klar und deutlich zu beantworten. Zudem hat der BGH die über den konkreten Fall hinausreichende Bedeutung seiner Entscheidung verkannt (diese wurde im Vorfeld der Entscheidung mehrfach in der Literatur diskutiert, s. Garcia, Telepolis v. 19.4.2010, http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32466/1.html; Stadler, http://www.internet-law.de/2010/04/grundrecht-auf-offene-netze.html; Mantz, JurPC Web-Dok. 95/2010, Rn. 3 ff., 29, http://www.jurpc.de/aufsatz/20100095.htm) – oder bewusst ignoriert. Denn die Entscheidung hätte für offene Netze und institutionelle Anbieter Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bringen können.

Diese bringt die Entscheidung des BGH nicht. Es ist keine Antwort darauf gefunden, welche Pflichten Betreibern offener Netze obliegen – bzw. ob der BGH bei ihnen überhaupt Pflichten annehmen würde. Die Ausführungen zur Privilegierung nach §§ 7 ff. TMG bewirken eher weitere Unsicherheiten.

Damit bleibt es bis auf weiteres bei den Handlungsanweisungen von Wulf, http://freifunkstattangst.de/2010/05/14/was-gibt-es-zur-zeit-zu-sagen-wenn-uns-jemand-zum-bgh-urteil-i-zr-12108-fragt/.

Die Ausführungen zum Geschäftsmodell machen Mut, dass solche Anbieter eher besser behandelt werden. Allerdings sieht der BGH möglicherweise auch eine Pflicht zur weiteren Überwachung der Entwicklung von Sicherheitsstandards bei nicht-privaten Anbietern.

S. auch http://www.retosphere.de/offenenetze/2010/06/04/das-wlan-urteil-des-bgh-und-seine-auswirkungen-auf-offene-netze/