FreifunkernInnen gelang es in den letzten Jahren immer wieder nötigenfalls auch mit Unterstützung ihrer Anwälte erfolgreich gegen Abmahnungen (ermöglicht durch die Störerhaftung) zu wehren. In einem weiteren Urteil wurde nun einem Freifunker recht gegeben. Grundlage dieses Rechtsstreits war eine negative Feststellungsklage, der zuvor wegen des angeblichen Angebots des Downloads der Folge einer Serie abgemahnt worden war. Anders als bei „typischen“ Filesharing-Fällen war also der Inhaber der WLAN-Anschlusses hier Kläger und der Rechteinhaber Beklagter.
Urheber wollen weiter abmahnen und sind nicht an Rechtssicherheit interessiert
Beim hier eingesetzten Mittel der negativen Feststellungsklage kann der Beklagte (der Abmahner) seine Ansprüche fallen lassen und so verhindern, dass in der Sache weiter geklärt wird. Die Abmahner haben damit wie schon zuvor ein Urteil vermieden. Und so geht das Spiel mit der Angst weiter. In diesem Verfahren wurde deutlich, dass es weiterhin große Schwierigkeiten beim Verständnis der technischen Zusammenhänge im Rahmen der Rechtsauslegung gibt. So wurde zum Beispiel der der IP-Zuordnung trotz Gegengutachten und der Anerkennung der vorgebrachten Einwände geglaubt, weil es plausibel erschien, da zweimal dieselbe IP ermittelt wurde. Allerdings fehlen hier Zeitstempel zu den Einträgen und es gibt in der Software Möglichkeiten Einräge hinzuzufügen, zu aktualisieren und zu löschen.
Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger musste mittels Aussage klarstellen, dass den Router selbst drei Jahre später untersuchen zu wollen, keine Erkenntnisse bringen würde. Das Funktionieren des ZAPP Scriptes konnte nicht wirklich durch Zeugenaussagen von Nutzern des WLAN Zuganges belegt werden. Natürlich können diese nicht wissen, welche Version installiert, wie der Schwellwert eingestellt war oder ob es gegriffen hat.
Die Aussagen der Richter bestätigen, dass die letzten Änderungen am TMG nicht ausreichend waren, um vollständige Rechtssicherheit für die Bereitstellung öffentlicher WLAN-Zugänge zum Wohle der Allgemeinheit herzustellen. Ihre Interpretation des McFadden EuGH Urteils bleibt aus unserer Sicht fragwürdig.
Und wie geht es weiter?
Wir prüfen, ob weitere Schritte bzgl. des Kostenentscheids im obigen Fall. Wir möchten weiterhin Menschen, Gruppen, Institutionen ermutigen, offenes WLAN bereit zu stellen und sie dabei unterstützen.
Um die Angst zu bekämpfen und trotz der unklaren Gesetzeslage Freifunk weiterhin zu ermöglichen, stellen die Freifunk Initiativen vielen Knotenbetreibern eine Umleitung durch VPNs zu ihren Servern bereit. Dies ist allerdings nicht unbedingt eine Dauerlösung, denn mit wachsendem Netz wird es technisch, organisatorisch und finanziell immer aufwändiger dies ehrenamtlich zu stemmen, siehe dazu auch die Bundesratsinitiative zur Gemeinnützigkeit. Zudem machen VPNs das Netz langsamer als nötig und fördern zentralistische Strukturen im Netz, das für Resilienz besser dezentral sein sollte. Daher würden wir diesen technischen Fix gerne loswerden, denn er ist kein zentraler Bestandteil der Freifunk Idee. Wir möchten also ermutigen auch ohne diesen Umweg frei(heitlichen), offenen Netzzugang mit Freifunk zur Verfügung zu stellen. Denn es geht um viel mehr!
Obwohl es nach der letzten TMG-Änderung nicht zu Abmahnungen kommen sollte, besteht immer noch Rechtsunsicherheit. Öffentliche Institutionen, Städte und Gemeinden scheuen sich ohne die Unterstützung von Freifunk und den Community-VPNs noch immer davor WLAN Zugangspunkte selbst zu betreiben. Oder sie geben Geld für Lösungen kommerzieller Betreiber aus, oft nur um die Haftungsübernahme zu erreichen.
Privatpersonen, sehen sich immer noch ungerechtfertigten Abmahnungen ausgesetzt. Wer die Sache schnell abwehren möchte, benutzt den https://abmahnbeantworter.ccc.de/. Der hat sich mittlerweile bereits mehrfach bewährt, bedeutet aber immer noch unnötigen Aufwand für die Betroffenen.
Mangelhafte Kenntnisse über IT-Infrastrukturen
Die Aufklärung zum Thema IP-Zuordnung und überhaupt „Wie funktionieren Netzwerke?“ muss weitergehen und dringend intensiviert werden, gerade wenn es um öffentliche Entscheidungsträger geht. Zuversichtlich stimmen uns Urteile, wie das vom 18.01.2017 vom AG Mannheim. Hier heißt es:
„Die von der Rechtsprechung des BGH postulierte Vermutung zulasten des Anschlussinhabers BGH stammt aus „analoger Zeit“ und verkennt die rasante Entwicklung der heutzutage durchgehend digital geprägten Lebenswelt. Internetanschlüsse sind mittlerweile in fast jeder Wohnung zu finden, im Grunde ubiquitär verbreitet, wie auch deren Nutzung. Dabei ist es ein allgemein sozial übliches und verbreitetes Phänomen – auch im engsten Umfeld des Gerichts – dass sämtliche Besucher, Freunde, Angehörige, Freunde der Familienmitglieder und deren Besucher nach der Begrüßung umgehend Zugriff auf das hauseigene WLAN wollen. Die vom BGH dieser Lebensrealität entgegenstehenden und geforderten Kontrollmaßnahmen und Ermittlungen mögen in Studierstubenwelten so gehandhabt werden, mit der Lebensrealität hat dies allerdings nach Auffassung des erkennenden Gerichts nichts mehr zu tun.“
Wir fordern weiterhin die seitens der Politik versprochenen Nachbesserungen am TMG ein, um mehr Rechtssicherheit für öffentlichen bereit gestellten Internetzugang zu erreichen.
Update: Laut einer ersten Kurzanalyse des neuen TMG Entwurfs bleibt alles beim Alten nur anders.