Archiv für Juli 2014

Fragen & Antworten zur negativen Feststellungsklage

Sonntag, 20. Juli 2014

Dank der Resonanz in den Medien haben uns zahlreiche Hintergrundfragen erreicht. Wir haben die Antworten und Presseartikel für Euch zusammengestellt.

Wie funktioniert freies WLAN mit Freifunk?
Lisa erklärt das ganz anschaulich in diesem Video.

Haben die Abgemahnten gezielt die VPN-Lösung nicht eingeschaltet, um die Auseinandersetzung zu suchen
Die derzeit genutzte Lösung wird aus verschiedenen Richtungen kritisiert. Sie ist technisch kompliziert und einige Gemeinden lehnten eine Zusammenarbeit mit Freifunk ab, da der Internettraffic in einigen Fällen ins Ausland geroutet wird. Daher wurde mit verschiedenen technischen Setups experimentiert.

Auf welcher rechtlichen Grundlage wird abgemahnt und warum glauben Freifunker_innen das wäre unberechtigt?
Dazu gibt es einen Vortrag, der auf dem Wireless Community Weekend 2014 gehalten wurde: Die Mär von rechtsfreien Räumen

Können wir die Klageschriften einsehen?
Na klar!
Klage Waldorf Frommer
Klage SassePartner

Werden die Kläger finanziell unterstützt?
Ja, durch die Freifunk (Förder-)Vereine.

Bereits 2013 hatte Freifunk Rheinland eine Aktion um gegen Abmahner vorzugehen. Ist daraus etwas geworden?
Es wurde der Abmahnung widersprochen, aber diese Fälle haben nicht zu Klagen geführt. Wir möchten weiteren Abmahnungen vorbeugen und Rechtssicherheit im Bezug auf die Störerhaftung erlangen, daher nun die Vorwärtsverteidigung.

Was soll mit der Klage erreicht werden? (Nur zwei Abmahnungen beseitigen oder weitere Auswirkungen?)
Momentan gibt es sehr unterschiedliche Rechtsprechung im Bezug auf die Störerhaftung. Die Abmahnkanzleien nutzen diese Unsicherheit aus und spekulieren auf Zahlungen und unterschriebene Unterlassungserklärungen.
Wir sind der Meinung, das ist nicht rechtens. Ziel ist es, klar zu stellen, dass nicht nur Hotels, Cafés oder Besitzer von Ferienwohnungen von der Störerhaftung zu befreien sind.

Sind Lösungen, wie sie derzeit massenhaft angeboten werden, bei denen sich Fremdnutzer zum Beispiel mit Telefonnummer auszuweisen aus Sicht von Freifunk nicht ausreichend? Warum nicht?
Um Nutzern Internetzugang anzubieten, ist es nicht notwendig die Telefonnummer, Emailadresse oder andere Daten der Nutzer zu sammeln. Dahinter steht in der Regel andere kommerzielle Interessen, die wir nicht verfolgen.

Welche Auswirkung hat die Rücknahme der Ansprüche seitens der Abmahner?
Die Rücknahme der Ansprüche lässt uns vermuten, das sich die Abmahner nicht auf ein Verfahren vor Gericht einlassen. Dann gibt es zwei einfache Lösungen für die negative Feststellungsklage:

A) Die Beklagten setzen sich nicht zur Wehr, unternehmen entsprechend nichts und kassieren ein Versäumnisurteil.
B) Sie erkennen die Argumentation in der Klage an, das führt zu einem Anerkenntnisurteil.

Beides wäre ein sehr einfacher Sieg.

Solange die Frist für das Versäumnis nicht abgelaufen ist, besteht jedoch immer noch die Möglichkeit, dass die Gegenseite reagiert und es zu einem streitigen Verfahren kommt, dann entscheidet der Richter nach einer Verhandlung.

Was würde ein Urteil zu unseren Gunsten bedeuten?
Wenn die Abmahnkanzlei erneut Freifunker_innen abmahnt, können wir sie unter Bezugnahme auf das Urteil auffordern die Ansprüche zurück zu ziehen. Das gilt natürlich auch für bereits in der Vergangenheit gestellte Ansprüche.

Werden wir eine strafbewehrte Unterlassungserklärung von den Abmahnern verlangen?
Dann würden wir in der Folge umgekehrt abmahnen. Unser primäres Ziel ist rechtssicher freie Infrastruktur aufbauen zu können, nicht in das Abmahngeschäft einzusteigen. Daher sehen wir zunächst davon ab.

Kann man Euch unterstützen bei den Rechtsanwalts-/Gerichtskosten? Wenn ja, wie kann ich evtl. eine Spendenquittung des Vereins bekommen?
Für die Klage selbst benötigen wir kein Geld, aber Du kannst die aktuellen lokalen Projekte unterstützen: Spende für die Projekte

Über betterplace bzw. die Vereine werden Spendenquittungen ausgestellt.

Pressespiegel zur Klage

Golem.de, 08.07.2014
Freifunker gehen gegen Störerhaftung vor Gericht

heise.de, 09.07.2014
Freifunker wehren sich juristisch gegen Abmahner

netzpolitik, 09.07.2014
Störerhaftung: Freifunker klagen vor Berliner Amtsgerichten – Gesetzgeber bleibt am Zug

taz, 12.07.2014
Gegen Störerhaftung, für freies WLAN

Fefes Blog, 14.07.2014
Fefe über den „Abmahnkrieg“

Winfuture, 15.07.2014
Freifunker verbuchen ersten Erfolg im Kampf gegen Störerhaftung

Abmahnkanzlei Walldorf Frommer knickt ein

Montag, 14. Juli 2014

Kurze Zeit nachdem wir die negative Feststellungsklage gegen Twentieth Century Fox Home Entertainment Germany GmbH, die von Waldorf Frommer vertreten werden, bei Gericht einreichten, nahmen sie alle Ansprüche gegen den Kläger Bianco Veigel außergerichtlich zurück.

Damit wird dieses Verfahren vermutlich ein schnelles Ende finden. Auf ein streitiges Verfahren scheint die Kanzlei sich nicht einlassen zu wollen. Das gerichtliche Verfahren ist weiter anhängig. Wir rechnen mit einem Versäumnis- oder einem Anerkenntnisurteil.

Wir fordern Walldorf Frommer auf, alle Ansprüche gegen Freifunker_innen und andere Abmahnungen wegen angeblichen Filesharings Dritter fallen zu lassen.

Das Verfahren gegen WVG Medien GmbH, vertreten von Sasse & Partner, wird voraussichtlich mit einem streitigen Urteil enden.

Wir erwägen momentan mit der Kanzlei Hubrig zu weiteren Fällen bezüglich der angeblichen Störerhaftung bei offenem WLAN negative Feststellungsklage einzureichen.

Für die komplette Abschaffung der Störerhaftung!

Dienstag, 08. Juli 2014

Freien, anonymen und für jeden offenen Zugang zum Internet sehen Freifunker als Grundrecht an.

Eigentlich sollte jeder sein WLAN einfach teilen können. Aufgrund der unklaren Rechtslage im Bezug auf die Störerhaftung sind jedoch viele Menschen verunsichert. Deshalb
wurde von Freifunk spezielle Software für WLAN-Router entwickelt, die den Internetverkehr per VPN Tunnel aus dem offenen WLAN über bestimmte Internet-Provider weiterleitet. Denn diese sind im Gegensatz zu Privatpersonen durch das Providerprivileg von der Störerhaftung ausgenommen.

Dennoch finden Ralf Gerlich und Bianco Veigel, dass jeder auch ohne diesen technischen Aufwand und Angst vor Abmahnungen sein Netz teilen können sollte. Beide verzichteten deshalb an Ihren Freifunk-Knoten auf den VPN-Tunnel. Prompt wurden sie abgemahnt, sollten wegen angeblichem Filesharing von Dritten über ihr WLAN Schadensersatz leisten und Unterlassungserklärungen unterschreiben. Natürlich lehnten sie dies schriftlich ab. Nachdem es darauf hin nicht zu einem Verfahren kam, entschlossen sich beide Freifunker nun zur Vorwärtsverteidigung:

Am 07. Juli 2014 reichte die Anwältin Beata Hubrig negative Feststellungsklage für Ralf und Bianco gegen die Störerhaftung bei den Berliner Amtsgerichten Neukölln und Lichtenberg ein.

Die Freifunk Initiative baut seit mehr als 10 Jahren ehrenamtlich freie, lokale Gemeinschaftsnetze in ganz Deutschland. Mittlerweile gibt es in über 100 lokale Gruppen, die an bundesweit knapp 4000 Accesspoints freien Zugang zum Internet bieten. Dabei ist keine Registrierung nötig und es werden keinen Nutzerdaten gesammelt.

AG Hamburg: Keine Haftung für WLAN bei Vermietung von Ferienwohnungen

Donnerstag, 03. Juli 2014

Das AG Hamburg hat mit einem neuen Urteil zur (nicht bestehenden) Haftung des Vermieters von Ferienwohnungen für die durch die Mieter über das WLAN begangenen Rechtsverletzungen erneut die Anwendung der Privilegierung des § 8 TMG auf WLANs angenommen (AG Hamburg, Urt. v. 24.6.2014 – 25b C 924/13 – Volltext, PDF). Das Urteil ist ähnlich dem, über das ich vor einigen Tagen berichtet hatte.

Interessant ist noch zweierlei:

1. Eingriffsmöglichkeiten

Zu Recht vergleicht das AG Hamburg den Vermieter von Ferienwohnungen im Hinblick auf seine Einwirkungsmöglichkeiten auf die Handlungen der Nutzer mit klassischen Access Providern. Das gilt auch, obwohl viel weniger Nutzer (nur die Mieter) das WLAN nutzen:

Dem gewerblichen Vermieter von Ferienwohnungen sind Prüfung und Kontrolle seiner Mieter jedoch ebenso wenig möglich, wie anderen Providern. Dass der Beklagte ggf. einer geringeren Anzahl an Nutzern den Zugang zum Internet vermittelt und deren Personalien kennt, erhöht zumindest im Rahmen eines Vermietungsmodells wie dem vorliegenden, nicht die Möglichkeit seiner Einflussnahme.

2. Keine Belehrungspflicht

Das AG Hamburg lehnt zunächst eine Belehrungspflicht grundsätzlich ab:

Fraglich dürfte ohnehin sein, ob ein Vermieter von Ferienwohnungen grundsätzlich verpflichtet ist, Belehrungen zu erteilen (so in einem ähnlich gelagerten Fall das LG Frankfurt a.M., MMR 2011, 401). Bei “klassischen” Access Provider werden Hinweise und Belehrungen grundsätzlich nicht gefordert (vgl. Mantz, GRUR-RR 2013, 497, 499). Auch der Vermieter kann grundsätzlich so gut wie keinen Einfluss auf seine – eigenverantwortlich handelnden- Mieter nehmen. Die Frage kann aber dahinstehen, da die erteilten Hinweise jedenfalls inhaltlich ausreichend.

Im Wege der Hilfsbegründung sieht es zudem die hier pauschal erteilte Belehrung als ausreichend an:

Die Frage kann aber dahinstehen, da die erteilten Hinweise jedenfalls inhaltlich ausreichend sind.

Die Belehrung war nicht zu pauschal. Es kann hierbei nicht darauf ankommen, dass die Belehrung explizit das Verbot einer Tauschbörsennutzung aufführt. Anderenfalls müsste sie sämtliche urheberrechtlichen Verstoßmöglichkeiten nennen. Eine derart lange, ggf. unübersichtliche und unverständliche Belehrung dürfte ihrem Zweck noch weniger dienbar sein. …

Es ist dem Beklagten auch nicht zuzumuten, die Belehrung an die jeweilige Nationalität des Mieters anzupassen. Ein Vermieter kann nicht gehalten sein, vor Abschluss eines Mietvertrages die jeweiligen urheberrechtlichen Standards abzugleichen und seine Belehrung entsprechend anzupassen.

(Crosspost von offenenetze.de)

Keine Haftung bei Betrieb eines Hotel-WLANs – AG Hamburg wendet Privilegierung des § 8 TMG an

Mittwoch, 02. Juli 2014

Das AG Hamburg (Urt. v. 10.6.2014 – 25b C 431/13, Volltext) hat kürzlich zur Haftung bei Betrieb eines WLANs in einem Hotel Stellung genommen, und dabei eine Haftung als Täter oder Teilnehmer unter Verweis auf § 8 TMG abgelehnt, und ferner auch eine Störerhaftung wegen angeblich unterlassener zumutbarer Prüfungs- und Überwachungspflichten verneint.

I. Das Urteil

Im Tatbestand hat das AG Hamburg u.a. festgestellt:

Den Hotelgästen wird die Internetnutzung wie folgt ermöglicht Jeder Gast erhält an der Rezeption auf Nachfrage kostenlos befristete Zugangsdaten. Er kann in seinem Zimmer eine WLAN als auch eine LAN Verbindung nutzen. Er muss sich individuell einwählen und vorder Nutzung in den Nutzungsbedingungen bestätigen, dass er „die Haftung für alle Aktivitäten übernehme“ und „vermutlicher Missbrauch rechtliche Schritte nach sich ziehen könne“.

Der Beklagte hat die Zimmergäste des 21.072012 benannt (Anlage B5). Wer genau von diesen Gästen das Internet genutzt hat und wie, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Eine durchgängige Datenspeicherung wird aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht durchgeführt.

Der Beklagte hat bereits in den letzten drei bis vier Jahren Abmahnungen der streitgegenständlichen Art von unterschiedlichen Rechteinhabern erhalten.

Der Inhaber des Hotels hatte u.a. noch folgendes vorgetragen:

Auch wenn ein Hotelgast die behauptete Rechtsverletzung begangen habe, ist er der Auffassung, dass ihm weitergehende Absicherungen des Intemetanschlusses nicht möglich und zumutbar seien. Störungen der Internetverbindung aufgrund etwaiger Sperrungen könne er nicht hinnehmen. Seine primär ausländischen und geschäftlich tätigen Hotelgäste seien auf ein störungsfrei funktionierendes Internet angewiesen. Sie würden hohe Standards voraussetzen. Könne er diese nicht erfüllen, sei er in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht.

Er habe sowohl bei der … als auch bei einem Fachanwalt um Rat gefragt. Eine Lösung, wie man Nutzungen der streitgegenständlichen Art ausschließen könne, ohne Einschränkungen von Verfügbarkeit, Performance und Übertragungsgeschwindigkeit hinzunehmen, habe ihm niemand bieten können.

Als – soweit bekannt – erstes deutsches Gericht wendet das AG Hamburg die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG auf ein gewerbliches WLAN an und schließt damit die Haftung als Täter oder Teilnehmer aus:

1. Selbst wenn die streitgegenständliche Nutzungshandlung durch einen der Hotelgäste über den gewerblich genutzten Hotelanschluss des Beklagten vorgenommen wurde, ist der Beklagte von einer deliktischen Haftung – als Täter und als Teilnehmer – freigestellt, da die Privilegierung des § 8 Abs. 1 S. 1 TMG auf ihn Anwendung findet § 8 TMG greift für Dienstanbieter, die für ihre Nutzer Zugang zu einem Kommunikationsnetz herstellen, vgl. § 2 Nr. 1 TMG. Der Beklagte, der sämtlichen Hotelgästen die Nutzung des WLAN Netzwerkes anbietet und ihnen so den Zugang zum Internet vermittelt, gehört als sogenannter Access Provider hierzu. Auch wenn die Rechtsprechung die Anwendbarkeit des § 8 TMG auf WLAN Betreiber (privat als auch gewerblich) bisher nicht erkennbar thematisiert hat, ist der herrschenden Literaturauffassung in diesem Punkt zu folgen (vgl. Mantz, GRUR-RR 2013,497 m.w.N.; sowie Hoeren/Jakopp, ZPR 2014, 72, 75 m.w.N.).

Nach § 8 Abs. 1 S. 1 TMG sind Dienstanbieter für fremde Informationen, zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern die die Übermittlung nicht veranlasst den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt, die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben und nicht kollusiv mit dem Nutzer zusammengearbeitet haben.

Unstreitig ist keiner der Ausnahmetatbestände des § 8 TMG einschlägig.

Das Gericht geht anschließend im Wege einer zusätzlichen Begründung darauf ein, dass auch ohne Privilegierung eine Haftung als Täter oder Teilnehmer ausscheidet.

Anschließend lehnt das Gericht auch eine Haftung als Störer ab. Auch hier führt das AG Hamburg zwei alternative Begründungen an, die beide zum Ausschluss der Haftung führen. Es führt zum ersten Begründungspunkt u.a. aus:

Der Beklagte haftet auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung, da er keine ihm mögliche und zumutbare Prüf- und Überwachungspflichten verletzt hat. …

Für den Beklagten als geschäftlichen Betreiber eines Hotel WLAN-Netzwerkes müssen im Ausgangspunkt die von der Rechtsprechung geprägten Grundsätze der Provider-Störerhaftung gelten (vgl. Hoeren/Jakopp, ZPR 2014, 72, 75). Daraus folgt insbesondere, dass der Maßstab der Zumutbarkeit streng anzusetzen ist.

Auch bei Vertretung der Ansicht, dass § 8 TMG (mangels unmittelbarer Anwendbarkeit) einer Inanspruchnahme als Störer nicht grundsätzlich entgegensteht (vgl. bspw. OLG Hamburg, Urteil vom 21.11.2013 – 5 U 68/10), so muss seine privilegierende Wertung den anzusetzenden Pflichtenmaßstab maßgeblich prägen. Auch der BGH integriert nunmehr die Vorgaben des TMG, als auch der E-Commerce-RL und der Rechtsprechung des EuGH in die Bewertung der Prüfungs- und Überwachungspflichten im Rahmen der Störerhaftung (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2012 -I ZR 18/11).

Für einen Filehosting-Dienst hat der BGH entschieden, dass etwaige Sicherungspflichten erst ab Kenntnis von der konkreten Rechtsverletzung und für die Zukunft zu ergreifen sind, um gleichartige Rechtsverletzungen zu verhindern. Wobei es hinsichtlich der Gleichartigkeit zwar nicht auf die Person desjenigen ankommt, der den Verletzungstatbestand erfüllt, sich die Verletzungshandlung aber auf das konkret urheberrechtlich geschützte Werk beziehen muss (BGH, Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 18/11). Bei Gleichstellung des gewerblichen WLAN-Betreibers würde eine Störerhaftung vorliegend bereits aus diesem Grund scheitern. Denn der Beklagte war zwar aufgrund von diversen Abmahnungen seit drei bis vier Jahren in Kenntnis gelegentlicher, ähnlich gelagerter Rechtsverletzungen über den Hotelanschluss, nicht jedoch über die konkret vorgeworfene. Dass das konkret benannte geschützte Filmwerk des Klägers nach Erhalt der Abmahnung noch einmal verletzt worden sein soll, hat der Kläger nicht vorgetragen.

Anschließend verneint das AG Hamburg auch weitere zumutbare Prüfungs- und Überwachungspflichten, insbesondere die Einrichtung von Portsperren. Dabei stellt es auch darauf ab, dass das WLAN gesichert war. Das Gericht stellt anschließend auch in Frage, ob eine Belehrung der Nutzer – die der Hotelinhaber hier vorgenommen hatte – überhaupt verlangt werden kann:

Eine Inanspruchnahme des Beklagten als Störer scheitert aber jedenfalls an der mangelnden Zumutbarkeit weiterer Maßnahmen.

Die von ihm bereits ergriffenen Maßnahmen sind hinreichend. Der Beklagte betreibt kein ungesichertes WLAN Netzwerk, denn das eingerichtete Internet Gateway beschränkt die Zugriffsmöglichkeiten zumindest teilweise. Durch die Vergabe befristeter Zugangsdaten wird die Missbrauchsmöglichkeit durch hotelexterne Dritte reduziert und zudem werden die Hotelgäste gemäß der Anlage B4 belehrt. Ein Ausbau der Hinweispflichten war auch nach Erhalt diverser Abmahnungen nicht erforderlich. Fraglich dürfte ohnehin sein, ob ein Hotelbetreiber grundsätzlich verpflichtet ist, Belehrungen zu erteilen (so in einem ähnlich gelagerten Fall das LG Frankfurt a.M., MMR 2011, 401). Bei „klassischen“ Access Provider werden Hinweise und Belehrungen grundsätzlich nicht gefordert (vgl. Mantz, GRUR-RR 2013, 497, 499). Auch ein Hotelbetreiber kann grundsätzlich so gut wie keinen Einfluss auf seine – eigenverantwortlich handelnden- Gäste nehmen. Die Frage kann aber dahinstehen, da die erteilten Hinweise jedenfalls inhaltlich ausreichend und für internationale Gäste auch in der jeweiligen Sprache abrufbar sind.

Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es auch keiner Sperrung von Ports. Der Kläger hat Bezug genommen auf ein Urteil des Landgericht Hamburgs, in welchem dieses entschied, dass es dem Betreiber eines Internetcafes möglich und zumutbar sei, Rechtsverletzungen mittels Filesharing bspw. durch Sperrung etwaiger Ports zu verhindern (vgl. LG Hamburg, MMR 2011, 475). Der Kläger hat zum einen bereits nicht vorgetragen, welche Ports der Beklagte genau hätte sperren sollen und zum anderen, ob eine solche Sperrung die streitgegenständliche Nutzungshandlung wirksam hätte verhindern können. Es dürfte Einigkeit dahingehend bestehen, dass unwirksame oder ineffektive Mahnahmen von Providern nicht verlangt werden können (vgl. bspw. OLG Hamburg, MMR 2009, 631).

Dem Beklagten ist es auf jeden Fall nicht zumutbar, Maßnahmen zu ergreifen, die gleichzeitig die Gefahr in sich tragen, dass der Zugang zu rechtmäßigen Angeboten unterbunden wird, und/oder zur Folge haben, dass die Leistungsfähigkeit des Internetanschlusses merkbar begrenzt wird.

Denn dem Beklagten, der aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen ist, seinen Hotelgästen eine störungsfreie Internetnutzung zu ermöglichen, dürfen keine Maßnahmen auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährden könnten (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 18/11). Der Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass es bei Einschränkungen der Internetnutzung nicht auszuschließen ist, dass er seine Hauptkunden verliert und er damit in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist.

Maßnahmen, die die streitgegenständliche Rechtsverletzung hätten verhindern können und gleichzeitig sämtlichen genannten Voraussetzungen gerecht werden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.

II. Kurze Bewertung

Das Urteil des AG Hamburg ist durchaus beachtenswert. Als wie gesagt wohl erstes deutsches Gericht hat es die Anwendbarkeit der Privilegierung des § 8 TMG auf gewerbliche WLANs angesprochen – und angenommen. Dabei schließt es sich der allgemeinen Auffassung in der Literatur an (vgl. Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 216 mit weiteren Nachweisen).

Zudem folgt es auch der aktuellen Tendenz des BGH, die Grundsätze der Privilegierung auch auf die Haftung als Störer zu übertragen und insbesondere eine Haftung überhaupt erst ab Kenntnis von der konkreten, im Einzelfall vorliegenden Rechtsverletzung anzunehmen (dazu Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 217 mit weiteren Nachweisen). Selbst in der als zusätzliche Begründung durchgeführten Bewertung der durch den Hotelinhaber ergriffenen Maßnahmen (Zugang nur mit Passwort, Belehrung) lehnt das AG Hamburg die Haftung ab. Dabei geht es auch darauf ein, dass Maßnahmen, die den Weiterbetrieb des WLANs einschränken als unzumutbar anzusehen sind (zur eingehenden Bewertung von einzelnen Maßnahmen bei Betrieb eines WLANs Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 227 ff., zu Portsperren Rn. 229), wobei es auch darauf eingeht dass der Betrieb eines WLANs wirtschaftlich notwendig ist (zur wirtschaftlichen Bedeutung von kostenlosem WLAN u.a. in Hotels hier) Zudem sieht das AG Hamburg Belehrungen der Nutzer als nicht erforderlich an. Der BGH hat gerade erst in seiner Bearshare-Entscheidung wieder (auch) darauf abgestellt, dass Erwachsene eigenverantwortlich handeln. Dies gilt selbstverständlich auch für die Nutzer eines WLANs in einem Hotel.

Unklar bleibt allerdings auch nach diesem Urteil, wie denn der Fall zu beurteilen ist, wenn im WLAN keine Zugangssicherung vorhanden ist. Aber auch in einem solchen Fall – der bei WLANs im Übrigen absolut üblich ist – dürfte eine Haftung unter Anwendung der Grundsätze für „klassische Access Provider“ ausscheiden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es ist daher noch abzuwarten, wie sich das LG Hamburg positionieren wird. Auch unter Zugrundelegung der bereits in zwei Urteilen festgelegten Maßstäbe des LG Frankfurt (MMR 2011, 401 und GRUR-RR 2013, 501 – dazu hier) dürfte eine Haftung des Hotelinhabers hier nicht gegeben sein, so dass eher nicht mit einer Aufhebung zu rechnen ist.

 

(Crosspost von offenenetze.de)

Was bedeutet das BGH-Urteil „BearShare“ für Freifunk/öffentliche WLANs?

Dienstag, 01. Juli 2014

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Januar wieder einmal zur Frage der Haftung des Internetanschlussinhabers für die Handlungen der Mitnutzer entschieden (BGH, Urt. v. 8.1.2014 – I ZR 169/12 – BearShare, Volltext). Die Urteilsgründe sind aber erst kürzlich erschienen. Endlich habe ich auch die Zeit gefunden, mir das Urteil im Hinblick auf die Folgerungen für öffentliche WLANs etwas genauer anzusehen …

1. Der Fall

In dem Fall ging es um eine ähnliche Konstellation wie schon Ende 2012 in der Morpheus-Entscheidung (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12) und um einen anderen Fall als BGH „Sommer unseres Lebens“ (BGH, Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, MMR 2010, 565). Diese letzten beiden Entscheidungen führt der BGH nun fort.

Der Beklagte war Inhaber eines Internetanschlusses. U.a. hatte sein volljähriger Stiefsohn Zugriff über das heimische, gesicherte WLAN hierauf und damit auch auf das Internet. Über den Anschluss wurde mittels der Filesharing-Software BearShare eine Urheberrechtsverletzung begangen. Der verletzte Rechteinhaber mahnte den Beklagten als Anschlussinhaber ab, verlangte Schadensersatz, Unterlassen und Abmahnkosten und erhob anschließend Klage. Der Beklagte verteidigte sich damit, dass die Rechtsverletzung durch seinen Sohn begangen worden sei.

2. Schadensersatz, sekundäre Darlegungslast und deren Folgen für den Anschlussinhaber und Betreiber öffentlicher WLANs

Punkt 1 in jeder solchen Entscheidung ist die Frage, ob der Anschlussinhaber auf Schadensersatz haftet. Der BGH führt wie gesagt seine bisherige Rechtsprechung fort. Zunächst nimmt sieht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine über einen Internetanschluss begangene Rechtsverletzung auch durch den Anschlussinhaber selbst begangen worden ist. Aus dieser Vermutung leitet der BGH wie bisher eine sekundäre Darlegungslast des Beklagten ab. Es ist also seine Aufgabe, die Vermutung zu erschüttern. Aus dem Urteil:

(1) Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 – I ZR 140/10, GRUR 2012, 602 Rn. 23 = WRP 2012, 721 – Vorschaubilder II, mwN). Diese Voraussetzung ist im Verhältnis zwischen den primär darlegungsbelasteten Klägerinnen und dem Beklagten als Anschlussinhaber im Blick auf die Nutzung seines Internetanschlusses er- füllt.

(2) Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; Beschluss vom 4. November 2013 – 22 W 60/13, juris Rn. 7; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2013, 246; LG Köln, ZUM 2013, 67, 68; LG München I, MMR 2013, 396). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. zur Recherchepflicht beim Verlust oder einer Beschädigung von Transportgut BGH, Urteil vom 11. April 2013 – I ZR 61/12, TranspR 2013, 437 Rn. 31; insoweit aA OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; LG München I, MMR 2013, 396).

(3) Der Beklagte hat seiner sekundären Darlegungslast dadurch entsprochen, dass er vorgetragen hat, der in seinem Haushalt lebende 20-jährige Sohn seiner Ehefrau habe die Dateien von dem in seinem Zimmer stehenden Computer zum Herunterladen bereitgehalten.

dd) Unter diesen Umständen ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 35 – Morpheus).

Das hört sich alles bekannt an, schließlich steht es genauso in der Morpheus-Entscheidung? Stimmt.

Aber trotzdem hat das Urteil genau in diesem Punkt Neuheitswert. Denn zuletzt hatten verschiedene Gerichte trotz Morpheus die Anforderungen für den Anschlussinhaber wieder verschärft. Sie wollten, dass der Beklagte den Täter benennt (sog. „Ross und Reiter-Theorie“, z.B. das OLG Köln, s.o.) oder sogar komplett die Beweislast für die Tat durch den Dritten trägt (z.B. das LG München I, s.o.). Diesen Verschärfungstrend stoppt der BGH. Er stellt klar fest, dass es ausreicht, substantiiert darzulegen, dass die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass ein Dritter die Rechtsverletzung begangen haben kann. Allerdings ist es auch zu erwarten, dass der Anschlussinhaber Erkundigungen einholt, z.B. seine Familienmitglieder befragt. Das bedeutet aber nicht, dass er seine Familienmitglieder effektiv belasten muss („Der wars!“). Denn insoweit stellt der BGH fest, dass über § 138 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht greift (s. z.B. schon LG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.10.2012 – 2-03 O 152/12, MMR 2013, 56; zum Thema sekundäre Darlegungslast eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 248).

Was bedeutet das für öffentliche WLANs, wie z.B. Freifunk-Netze, Hotel-WLANs, kommunale WLAN etc.? Erst einmal nichts. Denn die sind ohnehin über § 8 TMG gegenüber Schadensersatzansprüchen privilegiert (so z.B. kürzlich das AG Hamburg).

Aber selbst wenn man eine solche Anwendung der Privilegierung ablehnt, gilt für solche WLANs nichts anderes als für den Familienanschluss: Die ernsthafte Möglichkeit der Verletzung durch Dritte reicht. Und das steht öffentlichen WLANs quasi auf die Stirn geschrieben, so dass man bei diesen schon an der tatsächlichen Vermutung zu Lasten des Inhabers zweifeln muss. Allerdings muss der Betreiber im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen zum möglichen Täter anstellen und darüber Mitteilung machen. Wer aber den Täter nicht ermitteln kann – und das wird aufgrund der Unmöglichkeit, nachträglich Datenströme zu untersuchen praktisch immer der Fall sein. Anders wäre es nur, wenn die Nutzung registriert wird, z.B. durch Anmeldung, wie es teilweise in Hotels und bei der Vermietung von Räumlichkeiten der Fall ist. Aber nicht falsch verstehen: Eine Pflicht zur Registrierung bedeutet das nicht (s. Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 234 m.w.N.)!

3. Störerhaftung (und Abmahnkosten)

Das zweite Element ist immer die Frage, ob der Anschlussinhaber als Störer haftet. Und – für den abmahnenden Rechteinhaber häufig am interessantesten – darauf kommt es maßgeblich auch für die Pflicht zum Ersatz von Abmahnkosten an.

Was hat der BGH dazu ausgeführt?

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war es dem Beklagten nicht zuzumuten, seinen volljährigen Stiefsohn ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Inhaber eines Internetanschlusses ist grundsätzlich nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu belehren und ihnen die Nutzung des Internetanschlusses zur rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen oder zu sonstigen Rechtsverletzungen im Internet zu verbieten, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen. Da der Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Internetanschluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheberrechtsverletzungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend belehrt haben sollte.

(1) Der Senat hat zwar entschieden, dass der Inhaber eines ungesicher- ten WLAN-Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet, wenn außenstehen- de Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich ge- schützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 20 bis 24 – Sommer unseres Lebens). Diese Entscheidung ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber nicht auf die hier vorliegende Fallgestal- tung übertragbar, bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Familienangehörigen zur Verfügung stellt (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 42 – Morpheus).

(2) Der Senat hat ferner entschieden, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch genügen, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nut- zung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, GRUR 2013, 511 Rn. 24 – Morpheus). Auch diese Entscheidung ist nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar, bei der der Anschlussinhaber seinen Internetanschluss einem Familienmitglied zur Verfügung stellt, über das er nicht kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht verpflichtet ist und das auch nicht wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf.

(3) Ob und inwieweit dem als Störer Inanspruchgenommenen eine Ver- hinderung der Verletzungshandlung des Dritten zuzumuten ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (hierzu Rn. 22). Danach ist bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienangehörige zu berücksichtigen, dass zum einen die Überlassung durch den Anschlussinhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und zum anderen Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das – auch grundrechtlich geschützte (Art. 6 Abs. 1 GG) – besondere Vertrauensverhältnis zwischen Familienangehörigen und die Eigenverantwortung von Volljährigen, darf der Anschlussinhaber einem volljährigen Familienangehörigen seinen Internetanschluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass der volljährige Familienangehörige den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Überlassung des Internetanschlusses durch einen Ehepartner an den anderen Ehepartner (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; GRUR-RR 2013, 246; OLG Köln, WRP 2011, 781; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 – 20 U 63/12, juris Rn. 29; LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268; Rathsack, jurisPR-ITR 25/2012 Anm. 4 unter D; ders., jurisPR-ITR 12/2013 Anm. 5 unter D; ders., jurisPR-ITR 19/2013 Anm. 2 unter C; Härting in Internet- recht, 5. Aufl., Rn. 2255). Sie gelten vielmehr auch für die – hier in Rede stehende – Überlassung des Internetanschlusses durch Eltern oder Stiefeltern an ihre volljährigen Kinder oder Stiefkinder (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 – 20 U 63/12, juris Rn. 29; LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268; LG Hamburg, Verfügung vom 21. Juni 2012 – 308 O 495/11, juris Rn. 4; Rathsack, jurisPR-ITR 19/2013 Anm. 2 unter C; Solmecke, MMR 2012, 617, 618; Härting in Internetrecht aaO Rn. 2256; aA OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; WRP 2012, 1148; MMR 2012, 184, 185; vgl. auch Rauer/Pfuhl, K&R 2012, 532, 533). Ob und inwieweit diese Grundsätze bei einer Überlassung des Internetanschlusses durch den Anschlussinhaber an andere ihm nahestehende volljährige Personen wie etwa Freunde oder Mitbewohner entsprechend gelten, kann hier offenbleiben (für eine entsprechende Anwendung OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2008, 73, 74; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2013 – 20 U 63/12, juris Rn. 29; Härting in Internetrecht, 5. Aufl., Rn. 2256; aA OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 331; LG Düsseldorf, ZUM-RD 2010, 396, 398).

Enthalten diese Ausführungen etwas Neues? Ja: Volljährige Familienmitglieder müssen nicht belehrt werden. Und weiter? Nichts.

Daher gilt: Für öffentliche WLANs hält der BGH in „BearShare“ keine Antworten bereit. Ganz im Gegenteil, er lässt diese Fragen ganz bewusst offen.

4. Und jetzt? – Fazit

Als Fazit bleibt es bei dem, was wir schon vorher wussten: Es kommt darauf an. Die Grundregel lautet: Der Betreiber eines öffentlichen WLANs muss diejenigen Prüfungs- und Überwachungsmaßnahmen ergreifen, die ihm zumutbar sind. Aber: Wer ein öffentliches WLAN anbietet, ist Access Provider und die können sich auf § 8 TMG berufen. Der BGH hält zwar fest, dass §§ 8-10 TMG nicht für die Störerhaftung gelten sollen, gesteht aber immerhin zu, dass an die Zumutbarkeit von Maßnahmen und Pflichten ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen sind (so kürzlich auch das AG Hamburg m.w.N.). Und daraus folgt zumindest nach der allgemeinen Auffassung in der Literatur sowie dem AG Hamburg, dass dem Betreiber eines WLANs nichts abverlangt werden kann, was sein Geschäftsmodell gefährdet. Und das sind jedenfalls schwere Eingriffe wie z.B. Port- oder DNS-Sperren, Registrierungspflichten etc. (eingehend Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 227 ff.). Selbst eine Pflicht zur Belehrung kann nicht verlangt werden (AG Hamburg, Urt. v. 10.6.2014 – 25b C 431/13; Sassenberg/Mantz, WLAN und Recht, Rn. 235 m.w.N.; wohl auch Hoeren/Jakopp, ZRP 2014, 72, 75).

 

(Crosspost von offenenetze.de)